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Imperialer Adler PUDICITIA

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Pudicitia

Pudicitia war die römische Personifikation der Keuschheit, wobei festzuhalten ist, dass der Begriff zwar an sich weiblich ist, jedoch in der Antike von der Bedeutung her durchaus für beide Geschlechter verstanden wurde. Infolge ihrer äusseren Eigenschaften wurde sie manchmal mit Fortuna verwechselt. Als Personifikation dachte man sie sich als in sittsames Gewand gehüllte oder sich gerade verschleiernde römische Matrone mit Keuschheitsgeste, d.i. eine das Dekolleté bedeckende Hand. Das Gegenteil von Pudicitia war impudicitia (Schamlosigkeit), der man auch bei Vergewaltigung verfiel. An nichts erkannte man den Verfall der Sitten mehr, als an der zunehmenden Schamlosigkeit der Frauen, waren viele traditionsbewusste Römer überzeugt.

Der ähnliche Begriff Pudor als lateinisches Pendant des griechischen Aidos stellt lediglich eine Abstraktion dar und besass in der römischen Religion keinerlei kultische Bedeutung. In Griechenland war Aidos als männliche Personifikation mit Nemesis, der Wächterin des göttlichen Rechts verbunden und galt als Amme der Athene. Seine Kultstätten sind zumindest für Athen und Sparta bezeugt.

Als würdevolle Anrede verwendete man den Begriff bei Livia und Plotina. Als perfekte Verkörperung der Pudicitia galt den Römern das Schicksal der Lucretia zur Zeit der Tarquinerkönige. Hieran zeigt sich der Unterschied zwischen römischer und etruskischer Tugendauffassung. Somit reichte die Keuschheitssphäre weit über die sexuelle Komponente hinaus sowohl in ein mentales Verhalten, als auch den Auftritt in der Öffentlichkeit. Zeigte sich in frührömischer Zeit (teilweise bis in die Kaiserzeit) eine hochangesehene verheiratete Frau in Begleitung eines fremden Mannes, so kratzte dies an ihrem öffentlichen Keuschheitsimage. Natürlich wurde dies auch in der politischen Propaganda ausgenutzt und über ihre öffentliche Pudicitia konnten Frauen, denen der Weg in die Politik verwehrt war, geschickt am politischen Willensbildungsprozess mitwirken. Als Ideal sah man es auch an nur ein Mal verheiratet zu sein. Auf dieser Basis wollte Kaiser Augustus ein moralistisches Reformprogramm durchsetzen, scheiterte jedoch am latenten Widerstand der Massen und sogar in der eigenen Familie.

In Rom waren ihr zwei Tempel geweiht. Dem älteren am Forum Boarium (Fleischmarkt) dienten ausschliesslich Patrizierinnen. Als man 296 v.Chr. einer gewissen Virginia nach ihrer Heirat mit einem plebejischen Konsul den Zutritt verwehrte, nahm sie dies zum Anlass auch den vornehmen Plebejerinnen Zugang zum Kult durch einen eigenen Tempel in ihrem Haus am Vicus Longus zu ermöglichen. Dieser zweite Tempel war deshalb der Pudicitia Plebeia geweiht, wohingegen ab nun der ältere Tempel einfach der Pudicitia Patricia zugerechnet wurde. Den Tempeldienerinnen wurde aufgetragen nur plebejische Frauen zuzulassen, die keuscher waren als die Patrizierinnen. So durften sich ihrem Altar (in beiden Tempeln) nur Frauen nähern, deren Ehre allgemein anerkannt war und die maximal einmal verheiratet waren. Infolge des stark eingeschränkten Zugangs verwendete man die Tempel ab und zu als besonders geeignetes Versteck.

Sitzende Pudicitia mit der für sie typischen Geste der der Brust zugewandten Hand. Als Statue wurde sie auch stehend ausgebracht.
(c) collectio imaginum W.Tungsten


Quellen: W.Vollmer "Wörterbuch der Mythologie", "Der kleine Pauly"; en.wikipedia.org

 

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(PL)