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Provinz Britannia

Wirtschaft

Bereits vor der römischen Eroberung hatte Britannien die zivilisatorischen Errungenschaften des Festlandes mitgemacht. Die im Südosten der Insel eingedrungenen Stämme aus der Belgica dürften den schweren Pflug mitgebracht haben, der die Urbarmachung der britischen Böden erleichterte. Das Landesinnere blieb indes rückständig, denn mehrere Stämme kannten den grossflächigen Getreideanbau noch nicht. Die zahlreichen Erzlager (vor allem Zinn) wurden schon seit frühester Zeit ausgebeutet und führten auch zur Bekanntschaft mit Geld und Münzen. Der Historiker Strabon führte folgende Exportartikel der Insel an: Getreide, Vieh, Häute, Sklaven, Gold, Silber und Eisen.

Für die Zeit der römischen Eroberung lässt sich eine landwirtschaftliche Struktur mit Dörfern und Weilern erschliessen. Bauern bewirtschafteten auf kleinen Landlosen ihre Äcker. Die bereits von den Kelten praktizierte Form der Landwirtschaft wurde also von den Römern nicht verändert, sondern durch die Anlage von Landgütern lediglich ergänzt.

Die Ausnutzung der wirtschaftlichen Möglichkeiten führte zu einer starken Romanisierung; besonders der oberen Schichten. Seit ca. 75 bis 80 n.Chr. entstanden in Südengland die ersten Villenanlagen. Wahrscheinlich gab es keltische Grundformen und die Entwicklung vom einfachen hölzernen Bauernhaus bis zur grossen Landvilla lässt sich an manchen Orten detailreich dokumentieren.

Unter dem Statthalter Agricola durchdrang die römische Zivilisation erstmals flächendeckend die Provinz. Unter Anleitung römischer Fachleute wurden Foren, Tempel und Häuser errichtet und klassische Bildung breitete sich aus. Cirencester, Isca Dumnoniarum, Lindum und Verulamium erhielten ihre Stadtzentren. In Londinium errichtete man Ende des 1.Jh.n.Chr. einen Gouverneurspalast und einen Markt. Marmor wurde hierzu extra aus Italien importiert. Als zentraler Verkehrsknotenpunkt avancierte der Londoner Hafen rasch zum grössten der ganzen Provinz.

Der in den Händen ausländischer Händler gelegene Metallexport wurde durch die Eroberung unterbrochen und nicht wieder aufgenommen. Für die Römer war es einfacher auf die spanischen Minen zurückzugreifen. Dennoch wurde der Bergbau, wenn auch in kleinerem Umfang, weiter betrieben. Laut Plinius soll es ein Gesetz gegeben haben, das den Abbau deshalb beschränkte, weil durch die geringe Tiefe der Lagerstätten und der damit bedingten flächenmässigen Ausbreitung wertvolles Ackerland verloren ging. Keine Einschränkung erlitt hingegen die an den Küsten liegende Salzgewinnung. Das Brechen von Marmor blieb hingegen in Britannien (im Südteil) stets ein untergeordneter Wirtschaftszweig, ebenso wie der Abbau von Kohle im mittleren und westlichen Teil der Insel.

Blei gossen zunächst die Legionen in Barren. Später verpachtete man die hauptsächlich im Westen der Insel liegenden Minen an conductores. Wie in anderen Provinzen auch bildeten sich Pachtgenossenschaften, wie die societas Noveg und die societas Lutudrensis. Die Verwaltung des Bergbaues unterstand einem procurator metallorum. Silberlagerstätten waren - bezogen auf den Durchschnitt des Imperiums - selten. Mit fortschreitender Technik kam es im 4.Jh.n.Chr. zu einem vermehrten Abbau.

Da der Ertrag der spanischen Zinnminen zurückging, begann man sich seit dem 3.Jh.n.Chr. wieder für britannisches Zinn zu interessieren. Hartzinnwaren wurden für den Hausgebrauch hergestellt. Bronze wurde von den Handwerkern sowohl nach italischer und gallischer Technik, als auch in alter keltischer Manier verarbeitet.

Um 200 wurde mit der Errichtung einer ausgedehnten Keramikindustrie, mit dem Zentrum im heutigen Oxfordshire, begonnen. Zuvor hatten vor allem gallische Tonwaren die Insel massenhaft überschwemmt. Londinium kam als Importhafen hier die grösste Bedeutung zu. Später gesellten sich Produkte aus den Rheinprovinzen dazu. Glas und Bronzewaren wurden ebenfalls in grosser Menge vom Rhein und sogar aus dem Osten eingeführt. Im 4.Jh.n.Chr. war die Keramikindustrie schliesslich den Importen gewachsen und trug so ihren Beitrag zur wirtschaftlichen Blüte bei.

Seit den 220er Jahren erlebte die Provinz trotz der ständigen Gefahr durch die Caledonier eine wirtschaftlichen Blüte. Im Einzugsbereich des Hadrianswalles und um Forts entstanden vici genannte Kleinsiedlungen. In den bestehenden Städten wurden Häuser grosszügig ausgebaut und zahlreiche Kommunalbauten, wie etwa Theater, errichtet. Im allgemeinen hatte Britannien weniger unter den Invasionen und inneren Unruhen des 3.Jh.n.Chr. zu leiden, als das Festland.

Aus dem Preisedikt Diocletians ist zu ersehen, dass es Anfang des 4.Jh.n.Chr. in Britannien eine florierende Wollindustrie gegeben haben muss. Teppiche wurden unter allen Herkunftsprovinzen als erstes genannt. Die Preise für britannische Waren gehören im Edikt zu den höchsten. Allgemein stand die Landwirtschaft der Provinz in dieser Krisenzeit in hoher Blüte. Vor allem die Viehwirtschaft ist dabei hervorzuheben. Es gibt Vermutungen, dass damals der Tierbestand durch das Einkreuzen importierter höherwertiger Rassen, verbessert wurde. Gleichzeitig setzte sich ein noch schwererer und damit besser für die britannischen Böden geeigneter Pflug durch. Der Einsatz von gallischen Erntemaschinen ist zwar weder archäologisch noch literarisch erwiesen, doch könnten gefundene überlange Erntemesser zu einem solchen Gerät gehört haben.

Durch die Raubzüge der Franken, Angeln und Sachsen wurden später zahlreiche Ortschaften eingeäschert. Doch kam es nach Beendigung der eigenmächtigen Regierungen in den Jahren 300 bis 340 zu einem weiteren wirtschaftlichen Aufschwung. Die Villen konnten so wieder aufgebaut und zahlreiche Neubauten, teilweise mit luxuriösen Mosaiken, errichtet werden. Die Entwicklung auf der Insel hatte sich damit von der im übrigen Reich (wo eher reduziert, denn ausgebaut wurde) abgekoppelt.

359 liess Kaiser Iulianus den unteren Rhein für Getreidelieferungen wieder öffnen. Gleichzeitig wurde eine 600 Einheiten starke Transportflotte in Auftrag gegeben. Somit wurde Britannien zur Getreideversorgung für die Legionen im Weströmischen Reich herangezogen.

Die nunmehr ständigen Invasionen bedrängten das Wirtschaftsleben derart, dass sich die Villenbesitzer in die befestigten Städte flüchteten und die verlassenen Gehöfte von den Eindringlingen besetzt werden konnten. Damit erlebte die Villenkultur, im Gegensatz zum Gallien der Merowinger, ihren Niedergang. Die Gebäude wurden zwar nicht zerstört, doch zogen weniger zivilisierte Besitzer ein, die die Räumlichkeiten nur für den einzigen Zweck der landwirtschaftlichen Produktion verwendeten.

Im Zuge der Usurpation des Magnus Maximus wurden im Jahre 388 die letzten römischen Münzen auf britannischem Boden in Londinium (London) geschlagen. Trotz der bereits eindringenden irischen und schottischen Stämme erlebte der römische Südosten der Insel um 400 noch eine späte wirtschaftliche Blüte.

Unter Vespasian wurden die ersten römischen Villenanlagen errichtet.


Quellen: H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer", F.M.Ausbüttel "Die Verwaltung des Römischen Kaiserreiches", W.Eck "Die Verwaltung des Römischen Reiches in der Hohen Kaiserzeit", F.DeMartino, "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom", T.Bechert "Die Provinzen des Römischen Reiches", J.Matthews "King Arthur", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)