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Pompeii (Pompeji in Italien)

Wirtschaft I

Die kriegerischen Ereignisse der römischen Republik gingen auch wirtschaftlich gesehen an Pompeji beinahe spurlos vorüber. Nach allfälliger Stagnation gelangte die Stadt immer wieder zu neuem Aufschwung, was sich an den zahlreichen Baumassnahmen im Rahmen der Stadterweiterung ablesen lässt.

Als Nuceria 57 n.Chr. zur Colonia erhoben wurden, könnte dies auf Kosten des Umlandes von Pompeji geschehen sein, was eventuell Unzufriedenheit wirtschaftlicher Natur mit sich gebracht haben könnte (vgl. dazu vermutlich gegen Nero gerichtete Verschwörung).

Einen ökonomischen Knick erlitt die Stadt erst mit dem Erdbeben von 62 n.Chr. Die Reichen waren in ihre ausserhalb gelegenen Villen umgezogen, der Handel nahm ab und die Stadt bevölkerte sich zunehmend mit Wanderarbeitern für die Ausbesserungsarbeiten. Obwohl Pompeji unter kaiserlichem Protektorat stand, gab es von Seiten der öffentlichen Hand keine Gelder für den Wiederaufbau. Grundstücksspekulationen und Mietwucher prägten damals das Wirtschaftsklima in der Stadt. Aus all diesen Gründen verzögerten sich die Reparaturarbeiten und es oblag neben dem Geld der einzelnen Initiative und dem persönlichen Verhandlungsgeschick welche Gebäude als erstes wieder aufgebaut wurden (wohlhabende Viertel vor anderen). Dort, wo die Reparaturen rasch in Angriff genommen werden konnten, scheute man keinen Luxus und verbesserte die Qualität der Gebäude deutlich.

Da viele den Mietwucher auch bei den Geschäftsmieten nicht mitmachten, verlagerte sich in dieser Zeit auch das Zentrum für den Kleinhandel weg vom Forum hin zur Kreuzung von Via dell’Abbondanza und Via die Stabia. Die Einnahmen der Stadt - Verpachtung von stadteigenem Land und Gewerbeflächen war ein charakteristisches Element der antiken Gemeindefinanzierung - litten zudem unter unrechtmässigen Aneignungen solcher Grundstücke durch Private, sodass zur Lösung dieser Problematiken Kaiser Vespasian den Tribunen Titus Suedius Clemens entsenden musste.

Ziegeleien

Als Grossbaustelle hatte Pompeji einen überproportionalen Bedarf an Baumaterialien. Die Ziegeleien des L.Eumachius und des L.Saginius produzierten Ziegel unter Heranziehung von Meersand. Zusammen mit schlechtem einheimischen Ton ergab dies grobkörnige Ziegel von minderer Qualität. Aus diesem Grund importierte man in Massen fertige Ziegel aus anderen Städten Kampaniens. Die höchste Qualität besassen die glatten, dreieckigen und roten Formen aus Pozzuoli mit seinem roten Vulkansand.

Die Handwerker in Pompeji

Da Pompeji zur Zeit seiner Verschüttung eine gigantische Baustelle war, befanden sich neben den Hilfarbeitern auch überproportional viele Handwerker in der Stadt. Dennoch halten sich jene Funde, mit Hilfe man auf die Organisation und Sozialstruktur der Handwerker schliessen kann, in Grenzen.

architecti (Architekten)

Architekt und Bauunternehmer waren in der Antike meist die gleiche Person. Immerhin gab es nur einen Verantwortlichen bis zur probatio (Bauabnahme). Die bisherigen Ausgrabungen haben die Namen mehrerer Architekten enthüllt: M.Artorius Primus (Freigelassener der oskischen Familie der Artorii und Restaurator der Basilica), Diomedes (ein Architekt & Maler), Crescens und Gratus. Letzterer hatte vermutlich ein Haus gemietet um in Pompeji seiner Tätigkeit nachzugehen, denn man fand einen circulus (Zirkel) und einen versteckten Geldbetrag von 241 Sesterzen). Seine Frau hiess übrigens Quartilla und könnte eine Freigelassene gewesen sein.

structores & lignarii (Maurer & Tischler)

Nach den Architekten waren die Mauerer die wichtigsten Personen am Bau. Mit ihren Werkzeugen errichteten sie das Gebäude. Zwei Maurer(meister) haben ihre Namen in Tuffplatten geritzt: Mario und ein Diogenes. Letzterer verewigte auch seine Utensilien: Hammer, Massstab, Spatel, Spaten und Waage. Holz wurde nicht nur als Baumaterial, sondern auch für Möbel benötigt. Die Werkstatt eines lignarius (Tischlers) konnte samt einem Relief, in dem Zange & Hammer verewigt wurden, ergraben werden.

museiarii & tessellarii (Mosaiksetzer)

Der museiarius setzte Dekorationen und Figuren der Mosaike nach Kartonmustern und der tessellarius besorgte den Rest bis zur Fertigstellung. Beide Tätigkeiten verlangten Geduld, Genauigkeit und Geschick. Bei der Gestaltung eines Hauses arbeiteten Architekt, Maurer und Mosaiksetzer oft zusammen und ein Gesamtkunstwerk zu schaffen. Gerne bestellten Auftraggeber Kopien berühmter Mosaike oder Malereien und einige der museiarii hatten sich auf solche spezialisiert. Vom Namen her kennt man etwa einen Dioskurides von Samos.

imaginarii & parietarii (Maler)

Eigene Malerwerkstätten konnten in Pompeji bislang nicht identifiziert werden, da die Arbeit hauptsächlich am Ort des Auftrages erledigt wurde. Vorleistungen auf Stuck oder Holz, die in eine Wand eingesetzt wurden (so von Vitruv erwähnt) wurden hauptsächlich bei Restaurierungen verwendet, wo es um die Ausbesserung von Bestehenden ging oder zur Sicherung besonders wertvoller Gemälde. Insgesamt fand man zehn solche Vorabmuster. In Pompeji hingegen liessen sich die Reichen gleich das ganze Haus neu ausmalen. Mit der Blütezeit der Wandmalerei gesellten sich zu den gewöhnlichen Malern die pictores scaenarii (Bühnenbildner), welche nun ihre Erfahrungswerte einbringen konnten. Von den Malern hat sich nur ein Name erhalten im Haus des Octavius Quartio erhalten: Lucius.

Es war gesetzlich geregelt, dass die colores austeri (einfache Farben) im Malerpreis inbegriffen zu sein hatten; die colores floridi (kostbare Farben) jedoch vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden mussten. Das wertvolle Zinnober wurde aus den staatlichen Minen in Spanien, zeitweise auch aus Ephesos, importiert. Vestorianum (künstlich hergestellter blauer Farbstoff; benannt nach dem Bankier Vestorius, der das Herstellungsverfahren von Ägypten nach Italien brachte) wurde aus Pozzuoli bezogen. Alle anderen Farben stammten aus der Region. Bislang ergrub man zwei Farbenmischereien und einen Farbenladen in Pompeji samt der dazugehörigen Utensilien (Farbklumpen, Gewichte, Mörser. Im Farbengeschäft fand man über 150 kleine Schalen mit unterschiedlichen Farbpulvern!

Schlussendlich gab es noch die scriptores (Maler, die sich auf die Anbringung von Kandidatenwerbung an Häuserfassaden spezialisiert hatten). Ihnen zur Seite stand der dealbator (Flächenweissner) und der lanternarius (Lampenhalter), denn die Arbeiten wurden gerne in der Nacht ausgeführt, wo es weniger Verkehr gab. Die Tätigkeit war ein Saisongeschäft und vielleicht handelte es sich auch um Wanderhandwerker, die immer bei bevorstehenden Wahlen zum Einsatz kamen. Eine entsprechende Werkstatt konnte im Handwerkerviertel von Pompeji aufgefunden werden. Sie enthielt eine Anzahl von noch nicht fertiggestellten Wahlempfehlungen. Einer der Handwerker dürfte den Namen Astylus getragen haben.

marmorarii & statuarii (Marmor- & Bronzebildhauer)

Für beide Berufsgruppen gibt es bislang in Pompeji keine inschriftlichen Belege, doch alleine die grosse Zahl an leeren Statuenbasen und die vielen Statuetten in den Häusern lassen für sie auf genügend Arbeit schliessen. In den Strassen und Plätzen gab es Platz für 130 öffentliche Statuen, von denen praktisch keine auf uns gekommen ist. Zum einen waren sie beim Erdbeben von 62 n.Chr. zerstört bzw. stark beschädigt worden, sodass sie in Reparatur waren, und zum anderen gehörten die Statuen neben Geld zu den am häufigsten ausgegrabenen „Wertgegenständen“. Nicht nur die Überlebenden, sondern auch Schatzsucher in den folgenden Jahrhunderten und später im Mittelalter gruben Stollen und bargen in erster Linie die grossen Objekte.

Unfertige Bauelemente von lokalem Stil zeugen von einheimischen Handwerkern. Diese der Volkskunst zurechenbaren Verzierungen zeugen von detailverliebter Symbolhaftigkeit, bei der es weniger um die wahren Proportionen, denn um Aussagekraft ging. Was wichtig erschien, wurde fein und in grösserem Massstab ausgearbeitet, als jenes, das als Beiwerk in den Hintergrund zu treten hatte.

Als man in den Jahren 1796 bis 1798 das Haus VIII 7,24 neben dem Tempel des Zeus Meilichios ausgrub, fand man zahlreiche Indizien auf das Wirken von Bildhauern: eine Säge steckte in einer Marmorplatte, gut 30 Hämmer, gerade und gebogene Zirkel, Meissel diverser Grössen, Sägen, etc. Auch eine Reihe von Statuetten - eine sogar bereits in der Antike zerbrochen - komplettieren das Bild. Die grosse Zahl an Utensilien legen nahe, dass es sich um eine in diesem Haus untergebrachte Werkstätte handelte.

Ausserhalb der Porta Vesuvio scheint die Werkstatt eines Bronzebildhauers bestanden zu haben. 1899 entdeckte man die Statuette eines Epheben, zehn kleine Ambosse für Reliefarbeiten sowie zwei Gipsmodelle. Auch bronzene Gebrauchsgegenstände wurden in Pompeji hergestellt. So fand man in einer Villa Rustica in Boscoreale ein Bronzesieb mit der Inschrift Pertudit Pomeis Felicio (Felicio hat es in Pompeji durchlöchert).

Unter Nero scheint die pompejianische Wirtschaft zugunsten von Nuceria beschnitten worden zu sein.


Quellen: Coarelli, La Roca, De Vos "Pompeji", J.-A.Dickmann "Pompeji", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer", N.Harris & P.Dennis "Feuerregen auf Pompeji", "Der kleine Pauly" sowie das Computerspiel "Pompei - The Legend of Vesuvius"

 

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(PL)