Version LX

KULTUR
Unterhaltung


LUDUS LATRUNC.

zurück zur
Brettspielübersicht

zurück zum
Unterhaltungsindex

zurück zur
Übersicht Kultur

zurück zum Index

Ludus latrunculorum

Das ludus latrunculorum ist besser unter der Bezeichnung "Soldatenspiel" bekannt. Der Name leitet sich lt. Varro von lat. latro für Soldat ab. Erst in späterer Zeit wandelte sich die Bedeutung des Wortes von Soldat über Söldner hin zu Bandit und Räuber ab. Eine literarische Sonderbezeichnung ist laus Pisonis (Pisos Ruhm); abgeleitet vom Senator Cn.Calpurnius Piso, der ein Meister dieses Spieles war. Das Soldatenspiel löste sich an der Wende zum Mittelalter im Nebel der Geschichte auf, als die Backgammonvarianten (vgl. Tabula) an Beliebtheit zunahmen.

Die Regeln wurden - wie bei allen antiken Brettspielen - nicht überliefert. Allerdings hat man bereits im 19.Jh. versucht diese aus Literatur und Funden zu erschliessen; mit nicht immer durchgreifendem bzw. mangelhaftem Erfolg. Ein direkter Vergleich mit Schach, Go anderen (auch antiken) Spielen ist eigentlich nur in Randbereichen möglich. Vielleicht war es auch sehr einfach und es gab mehrere Spielvarianten - man wird es wohl nie herausfinden können.

Das Spielbrett wurde tabula latruncularia genannt und konnte aus Stein oder Holz sein. Auch Einritzungen in Marmor, etwa am Boden der Basilica Iulia in Rom, sind bekannt. Es bestand aus wenigstens sechs mal sechs quadratischen Feldern. Es wurden jedoch auch andere Kombinationen aufgefunden (7 x 8, 9 x 9, 9 x 10). Die häufigste (und bei kaufbaren Spielfeldern am weitesten verbreitete Variante) waren acht mal acht Felder.

Zur Ausstattung gehörten noch die latrones (Spielsteine). In der Literatur wurden sie der Verse wegen meist unterschiedlich bezeichnet (z.B. bellator und ordinarius). Daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, dass es verschiedene Typen von Spielsteinen gegeben hätte. Die halbkugelförmigen Figuren wurden aus Stein, Glas und Elfenbein gefertigt. Es scheint aber auch Luxusvarianten mit Edelsteinen gegeben zu haben.

Es gab für jeden Spieler zwei (oder vielleicht auch drei Mal bei grösseren Brettern) so viele Spielsteine wie die Spielbrettbreite betrug (Breite 8 = 16 Steine pro Spieler). Die Spielsteine wurden entweder durch unterschiedliche Form oder Farbe gekennzeichnet. Zudem gab es bereits richtige Spielsets, deren Figuren von 1 bis 30 und von 1A bis 30A durchnumeriert waren (Falls hier nicht Reservefiguren gelistet waren, so galt dies wohl für ein Brett der Breite 10 und 30 Steine pro Spieler).

Gezogen wurden vertikal und horizontal auf den Feldern. Die Zugweite dürfte lediglich ein Feld betragen haben (quasi eine Kreuzung von Bauer und Turm beim Schach). Gegnerische Steine konnte nur geschlagen (und damit aus dem Spiel genommen) werden, wenn sie von zwei Figuren eingekesselt wurden. Aus diesen beiden Annahmen würde sich ergeben, dass sich die Steine immer im Weg stünden. Folglich ist davon auszugehen, dass man über die eigenen Figuren einmal hüpfen konnte (vgl. Halma). War ein Stein gefangen, so konnte man ihn unter Umständen wieder befreien. Dies wohl dadurch, dass man die gegnerischen "Fängersteine" selbst festsetzte. Dann scheint der zuerst gefangene Stein wieder frei wesen zu sein.

Vor Beginn des Spiels wurde gelost, wer als erster einen Stein auf das Brett setzen durfte. Anschliessend ging man der Reihe nach durch, bis alle Spielsteine gesetzt waren und der erste Zug gemacht werden konnte. Ziel des Spiels war bekanntlich das Einfangen gegnerischer Spielsteine. Dies geschah, indem zwei Spielsteine in Feldern neben einem gegnerischen lagen, egal ob horizontal, vertikal, schräg oder über das Eck. Durch einen geschickten Zug konnte man sogar zwei Steine auf einmal einfangen. Konnte man einen Stein nicht bewegen, so wurde er incitus genannt. Sieger war jener Spieler, der die meisten gegnerischen Steine gefangen oder schlichtweg nur noch einen Stein übrig hatte.

Das Spiel war im Römischen Reich sehr weit verbreitet und auch beim Militär beliebt. Im Gegensatz zu Glücksspielen war das Soldatenspiel nie verboten worden, obwohl man durchaus um Einsätze spielte. Der Sieger einer Partie wurde als imperator tituliert und die Meister ihres Faches waren angesehene Mitglieder der Gesellschaft. Man könnte sie bereits mit den Schachgrossmeistern vergleichen. Manch ein Meister in diesem Fach liess sich sogar den oftmals erspielten Titel auf seinen Grabstein meisseln. Für sein Spielgeschick war in neronischer Zeit der Senator Cn. Calpurnius Piso bekannt. Besucher kamen eigens nur auf Besuch, um ihm beim Spielen zuzusehen. Auch die Stoiker konnten sich mit dem Soldatenspiel anfreunden, da es sich um kein Glücksspiel handelte.

Eigenständige Meisterschaften wurden allerdings nicht ausgefochten. Das Spiel war ein gern gesehener Zeitvertreib für Gastmähler und Abendveranstaltungen. Das Soldatenspiel ist auch eines der wenigen, von dem überliefert wurde, dass es auch Frauen mit Leidenschaft gespielt haben. Plinius erwähnt eine 80jährige Witwe, die sich die Zeit mit diesem Spiel vertrieb.

Bei einigen Funden waren auf der Rückseite der Steine Begriffe eingraviert wie fur (Dieb, Schlingel), vapio, geudesne, lupa (Wölfin), amator (Liebhaber), benigne (gütig), moraris (du zögerst) und andere. Bei diesem Begriffen könnte es sich um ein Liebesorakel handeln. Modern gesehen, liesse sich das ludus latrunculorum am besten mit Dame vergleichen. Eine Ähnlichkeit gibt es auch mit dem Spiel Seega, das heute in Ägypten und Somalie gespielt wird.

Schlussendlich noch eine Anekdote zur Spielbesessenhiet aus der Zeit von Kaiser Caligula. Der zum Tode verurteilte Canus Iulius spielte mit einem anderen Delinquenten das Soldatenspiel, als der Centurio kam, um ihn zur Hinrichtung zu führen. Iulius lag einen Spielstein vorne im Spiel und sagte zu seinem Kameraden: "Dass du bloss nicht nach meinem Tode fälschlich angibst, du hättest gewonnen." Und schliesslich zum Centurio: "Du bist Zeuge, dass ich einen Stein vorne lag!"

Römischer Spielstein,
wie er u.a. für das
Ludus latrunculorum verwendet wurde

(c) Ulrich Schädler, Musee du Jeu/Schweiz

eingeritztes Spielbrett für das Ludus latrunculorum auf den Stufen der Basilika Iulia, Rom
(c) M.Fittà


Quellen: Marco Fitta, "Spiele und Spielzeug in der Antike", "Der kleine Pauly", ein Artikel von Dr. Ulrich Schädler (Musée Suisse du Jeu Board Game Studies, veröffentlicht in Spielbox 2, 1995, 44ff)

 

Sie wollen Fragen stellen, Anregungen liefern oder sich beschweren?
Dann klicken Sie auf meine Kontaktseite!

(PL)