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FLUSSGÖTTER

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Flussgottheiten

Hauptsächlich auf römischen Münzen, aber auch auf einigen Bauwerken (z.B. auf dem Severus- oder auch auf dem Konstantinsbogen) tauchen personifizierte Darstellungen von Flüssen auf. Sieht man von einigen Ausnahmen ab, beziehen sich solche Darstellungen auf den Gesamteindruck des Gewässers und sind nicht als eigenständige Person zu deuten.

In ihrer Erscheinung werden Flussgötter nur äusserst selten stehend dargestellt. Sie liegen zumeist, was auch ihrem Charakter als Fluss, der eine Landschaft durchfliesst trifft. Ihre Ausrichtung erfolgt in der Regel nach links. Mit einem Bezug zur linken Seite werden alle Gottheiten dargestellt, die irgendwie mit der Nacht zu tun haben. Rechtsbezug symbolisiert Tagesbewusstsein.

Eine besondere Bedeutung bei der Darstellung von Flussgöttern hat das über den Kopf (wie durch einen Windhauch) geblähte Gewand. Dieses schleierartige Beiwerk tritt vor allem bei Gottheiten auf, die mit der Nachtseite des Lebens zu tun haben. Beispiele hierfür sind Pluto, Luna aber auch Aeternitas. Gleichsam ausgestattet sind viele Nymphen, Nereiden und dionysische Gestalten.

Die Bedeutung lässt sich sogar noch im Mittelalter nachvollziehen, wo etwa Schlachtentscheidungen gerne an Flüssen gesucht werden; ein dementsprechendes Eingreifen des Flussgottes bzw. die besondere Atmosphäre, die die Entscheidung beeinflusste, wurde vorausgesetzt. Das Wasser der Seen und Flüsse wurde als direkte Anwesenheit einer unterirdischen (Wasser kommt ja aus dem Boden) schicksalsbeeinflussenden Macht gesehen. Aus dieser Tatsache heraus ist auch erklärbar, warum nicht nur bei den Römern die religiöse Tradition jeden verpflichtete, ins Wasser gefallene Waffen nicht mehr aufzuheben.

Das Wasser quellt aus der Erde und der Strom ist das Sinnbild für Vergänglichkeit, obwohl er unvergänglich ist. Aus diesem Grund sind solche Orte von prophetischer Natur. Deshalb spricht man von chtonischen (=erdbezogenen) Gottheiten. Ein anderer wasserbezogener Aspekt ist der Grenzcharakter eines Flusses. Er gilt als Numen für den Übergang über die Grenze. Dies erklärt auch, warum die Römer gerne Flüsse als Grenze hatten und nicht Gebirge.

Flussgötter gehören der Erfahrungsreligion an und sind damit im Unterschied zu Göttern der Offenbarungsreligionen keine Sache des Glaubens. Eine Frage wie "Glaubst du an Flussgötter?" ist folglich falsch gestellt, denn es muss heissen, "Bist du bereit, was du am Fluss siehst, als Ausdruck eines Göttlichen anzuerkennen?" Und weiters: "Hast du schon einmal einen Flussgott gesehen?" muss relativiert werden in: "Hast du ein Erlebnis gehabt das dich vom Sinn solcher Anerkennung überzeugt hat?" und schliesslich anstatt: "Gibt es Flussgötter wirklich?" muss es heissen: "Gibt es Erlebnisse, die sich als epiphania (=Erscheinung) eines Flussgottes sinnvoll begreifen lassen?"

Das gleiche gilt auch für viele andere Erscheinungsformen des Göttlichen in der Antike. Viele Missverständnisse in der Interpretation fussen in zweierlei Ursachen. Erstens wollte uns die christlich-spätantike Überlieferung weis machen, dass das Heidentum unterlegen und im Niedergang begriffen ist und zweitens versuchte man seit der Renaissance eine vermehrte Areligiösität im Glauben und vermehrte, direkte Personifikation in der antiken Religion sehen (So wie im modernen Sinn mit diesen Begriffen verfahren wird).

Der Mensch der Antike konnte das Wesen der Götter am besten dadurch ausdrücken, indem er die Geschichte der Wirkungen ihrer Taten darstellt; die Person selbst kann dabei in den Hintergrund treten (vgl. Mythen). Mythen dienen deshalb dazu, dem Menschen bewusst zu machen, in welchen Ereignissen er welche Gottheiten erkennen kann. Dass es dabei zu Überscheidungen, Verdrängungen und unerwarteten Berührungen unterschiedlicher Götter kommen kann, ist selbstverständlich und liegt auch in der Erwartung des antiken Religionsverständnisses.

Der dargestellte Gott ist somit weder - wie bereits erwähnt - eine Person für sich selbst, noch ein dahinterliegendes Element. So kann Vulcanus nicht als das Feuer oder ein Flussgott nicht einfach als das Wasser des Flusses charakterisiert werden. Vielmehr ist eine derartige Gottheit die Erscheinung, die einem entgegenschlägt, wenn man ihm begegnet. Am besten lässt sich dies durch das Wort "Atmosphäre" beschreiben.

Der Flussgott ist die Gestalt gewordene Atmosphäre, die der Fluss ausstrahlt. Gestalt gewordene Atmosphären heissen im Lateinischen numina. Der Mensch ist von ihnen betroffen und reagiert mit dem, was wir Kultus nennen. Kultus ist Kultivierung des Betroffenseins von Atmosphären.

Auch heutzutage lässt sich die Atmosphäre erfahren. Jeder kennt wahrscheinlich das Gefühl, das einen durchfährt, wenn man an einem für sich ganz besonderen Ort ist. Die Eindrücke, die dabei auf den Menschen einfliessen, lassen den genius loci (Gottheit des Ortes) seine eigene Gestalt annehmen.

Manchmal erscheint der Flussgott aber auch nur als Beiwerk. So stellt etwa eine typisch griechisch anmutende Roma die inspirierende Wirkung des Ortes dar und der Flussgott Tiber charakterisiert die landschaftliche Grundlage.

Dieser Landschaftsbezug führt schliesslich noch zu einer wichtigen Eigenschaft der Flüsse. Sie bringen den Menschen Nahrung. So werden Flussgötter gerne mit Füllhorn dargestellt. Alternativ tauchen auch Schiffe auf, die einerseits den Handel symbolisieren, andererseits die Getreideflotten meinen können. Gewässer beeinflussen so auch das Klima, was zur Folge hat, dass Gottheiten der Flüsse und Seen Heilcharakter zuteil werden kann. (vgl. das milde Klima von Kurorten)

In den Dakerkriegen des Kaisers Trajan überschritten die Römer die Donau, der als die Grenze zu den Dakern galt. Der gut gelungene Übergang wurde dem Wohlwollen der Flussgottheit zugeschrieben. Seit Caesar ist bekannt, dass bei Triumphzügen Bildnisse von Flussgöttern mitgeführt wurden. Sie sind die ins Pantheon übernommenen genii locorum (Ortsgenien) der Gewässer. Auf dem Konstantinsbogen klammert sich der gegen Konstantin unterlegene Maxentius an den personifizierten Tiber, der ihn abweist. Der Tiber galt als die chtonische Quelle Roms und konnte so Maxentius abweisen.

Der personifizierte Nil mit den als Kinder dargestellten vier Jahreszeiten. Eine ähnliche Komposition der Figuren ist nur von Tellus bekannt. Folglich wurde der Fluss ähnlich der Erdgöttin als eine nährende Kraft angesehen.
ex commentario periodico "money trend"
 


Quellen: Zeitschrift "money trend", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)