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Imperialer Adler SILVANUS

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Silvanus

Silvanus war ein römischer Gott des bäuerlichen Weltbildes und galt als Erfinder des Pflanzenbaus. Die u.a. zerstörende Urkraft der Natur verkörpernd, war sein Kult für Frauen nicht zugänglich. Vielmehr mussten sie und ihre Neugeborenen vor ihm geschützt werden, da er diese dem Volksglauben nach rauben wollte. Aus diesem Grund rief man einige andere Gottheiten (so Deverra, Intercidona & Pilumnus) an, um seinen Einfluss abzuwehren. Hörte man im Wald geheimnisvolle Stimmen, so schrieb man sie dem Silvanus oder den Faunen zu.

Schon in der Antike galt Silvanus als eine sehr alte Gottheit, die möglicherweise von den Etruskern übernommen wurde, den sie wiederum von der italischen Urbevölkerung übernommen hatten. Die breite Verehrung des etruskischen Waldgottes Selvans ist durch zahlreiche Inschriften und Statuetten belegt. Man stellte diese Gottheit jung und nackt, nur mit Fellstiefeln und einer Tierkopfmütze (meist vom Bären) bekleidet dar. Im allgemeinen stützte Selvans seine Rechte in die Hüfte und hielt in der linken Hand ein langes hammerförmiges Kultgerät. Sein Haar ist lang und kraus und um seinen Hals schwingt sich ein torques (gedrehter Halsreif). Einige dieser Attribute finden sich auch bei Silvanus. Da die ursprüngliche Namensgebung irgendwann nicht mehr verstanden wurde, glich die Volksetymologie den Götternamen Selvans an lat. silva (Wald) an.

Abseits der personifizierten Gestalt hatte Silvanus als Numen starke Charakterzüge der Laren. Wie die Laren und Penaten des Hauses besass praktisch jedes Grundstück einen spezifischen Silvanus domesticus. Als tutor finium (Grenzwächter) behütete er die Grenzen von Grund und Boden. Sein Wirken an Grenzen ist auch gesellschaftlich zu deuten. Das Leben in der römischen Antike spielte sich zwischen Gegenpolen ab: publicus - privatus (öffentlich & privat), otium - negotium (Musse & Arbeit), urbanus - rusticus (städtisch - ländlich) und natürlich Staatskult - Privatkult..

Damit beschränkte sich Silvanus' Hoheit nicht nur auf die Wälder, sondern auch auf die fruchtbaren Felder und sogar Gärten. Im Gegensatz zu ersteren ist dies nur im Rahmen von Landbau und exakter Grenzziehung möglich. Vora llem die Begrenzung Naturlandschaft zu Kulturland liess aus Silvanus einen Grenzgott werden und die agrimensores (Feldvermesser) lehrten, dass jeder Besitz mindestens drei Silvani haben müsse (Damit ist ein Dreieck gemeint; aus zwei geraden Linien lässt sich bekanntlich keine Fläche bilden). Als Silvanus Litoris beschützte er die "Grenze" zwischen Land und Meer, d.h. die Küste.

Da für Silvanus in Rom kein Staatskult eingerichtet war, finden sich seine Feiertage auch nicht im offiziellen Festkalender. Die im Kalender aufscheinenden Feste der Laren und Penaten waren nämlich nur jene der Lares praestites und der Penates publici (Laren & Penaten des Gemeinwesens). Seine Wirkung entfaltete der Gott deshalb ausschliesslich im privaten Bereich.

Die Gleichsetzung mit anderen Gottheiten - allen voran mit dem griechischen Pan - ist zwar in der Antike mehrfach bezeugt, doch immer höchst problematisch geblieben, denn in der römischen Religion entspricht dem Pan der Gott Faunus. Ausserdem ist der Ziegenbock das Ursymbol des Pans (als auch des Faunus), wohingegen das Tier im Kult des Silvanus überhaupt keine Rolle spielte. Der oft fälschlich als Ziegenfell gedeutete Umhang des Gottes, konnte mittlerweile anhand mehrerer Darstellungen (u.a. am Trajansbogen) eindeutig als Schafsfell identifiziert werden.

Eine gewisse Beziehung hatte Silvanus naturgemäss mit einem anderen alten Feldgott - dem Mars. Schon Cato legte in seinem Werk über den Landbau ein Rezept für ein Opfer an Mars und Silvanus dar. Als Gottheiten der ältesten Zeit und rein italischen Ursprungs gab es über Silvanus und Selvans keine Mythen, sodass sie erst sehr spät in dionysische Mythologie Eingang fanden. Alles in allem kann Silvanus als typischer Einzelgänger bezeichnet werden, was sich auch im praktischen Leben am Lande widerspiegelte. Auf der Weide oder beim Durchqueren von Wald und Flur war man auch mit sich selbst alleine.

ehrenhafte Entlassung aus dem Militärdienst; im Hintergrund der Mitte stehen Diana und Fortuna
ganz rechts aussen steht Silvanus mit seinem Hund; Relief am Trajansbogen in Benevent, 114 n.Chr.
ex libro E.Simon "Die Götter der Römer" (c) NegInstRom 29.463

Mit der Ausdehnung des Imperiums und der Angleichung fremder Wald- und Flurgottheiten (so z.B. der keltische Sucellus in Gallien), nahm der Silvanuskult vor allem in der römischen Kaiserzeit regen Aufschwung. Die Bauern ehrten den Gott im Frühjahr mit einem grossen Vegetationsfest um sich seines Schutzes über Land, Hof und Grenzen zu versichern. Abseits der Landwirtschaft war er auch bei den unteren Gesellschaftsschichten der Städte - allen voran den Sklaven - äusserst beliebt. In der Epoche von Trajan bis Antoninus Pius trat Silvanus aus dem Schatten des privaten Kultes und wurde - ohne Eingang in den Staatskult zu finden - auch auf öffentlichen Bauten und kaiserlichen Medaillons dargestellt. Die bevorzugte Verehrung im öffentlichen Raum seit Trajan geht auf die Rückbesinnung mittelrepublikanischer Wertvorstellungen zurück, wie sie eben der Kaiser aus Spanien mitgebracht hatte.

In diesen Zusammenhang passen auch die reichen Weihungen von Veteranen. Die zahllosen Veteranenvereine hatten hauptsächlich Silvanus als Schutzgottheit und bezeichneten sich so auch als collegia, cultores, sodalicia und familiae Silvani. Somit verschmolz der Vereinsgenius mit dem Waldgott und erhielt dadurch eine zweite Interpretation. Nun erscheint Silvanus nicht mehr nur in ländlicher Tunika oder Schafsfell, sondern auch in Toga als Schutz der Vereine.

Unabhängig von seiner Interpretation als, blieb ihm stets als Attribut der Hund und in den Haaren der Kranz aus Pinienzapfen. Als halbnackter Feldgott hielt er meist die falx (gebogenes Winzermesser) und schmückte sich mit Feldfrüchten. An Opfertiere waren ihm das Schwein und der Widder zugedacht. Sollte ein Schwein bereits bestellte Felder verwüstet haben, so jagte und erlegte es um das Tier dem Gott zu opfern. Doch auch ein weiteres Tier wurde stets mit Silvanus identifiziert: der Bär. Wie Hercules auf die Löwenjagd und Diana auf die Eberjagd ging, so liess man Silvanus Bären jagen (vgl. der Bärenkopf als Mütze des Selvans) um damit auch die urtümlichen Kräfte zu symbolisieren.

Vom Aussehen her gab zum etruskischen Selvans einige Unterschiede. Jedoch ist zu bemerken, dass die Etrusker allgemein junge Gottheiten bevorzugten, auch deren oberster Gott Tinia - obwohl dem Jupiter gleich - als junger Bursch dargestellt wurde. Horaz hat Silvanus als horridus (struppig) bezeichnet, doch stellen die meisten Abbildungen den Gott doch recht ordentlich mit langem Haar und Bart dar.

Eine eigenwillige Interpretation empfing Silvanus unter Hadrian. Als dessen Geliebter Antinous im Nil ertrunken war und der Kaiser zahlreiche Erinnerungsmale stifte, gab es auch Darstellungen des jung Verunglückten in Silvanusgestalt. Es war Ziel Hadrians Antinous auf diesem Wege kultische Verehrung zukommen zu lassen; und zwar meist in Kultgemeinschaft mit Diana - ebenfalls einer Gottheit des Waldes.

Nahe der etruskischen Stadt Caere (Cerveteri) besass Silvanus einen alten Hain. In der Grossstadt Rom hatte Silvanus keinen grossen Tempel, wohl aber einen kleinen in der regio V (5. Stadtbezirk) sowie gemeinsam mit Hercules in der regio XIII (13. Stadtbezirk).

Statue des Gottes Silvanus; 2.Jh.n.Chr.
(c) Arch.Museum Madrid

Bronzekopf einer lebensgrossen Silvanusstatue aus hadrianischer Zeit
(c) Pushkin Museum Moskau

Marmorrelief des
Antinous als Silvanus,
späthadrianisch

(c) Instituto Bancare Italiano

Bronzestatuette des Selvans-Silvanus
(c) Wolf Tungsten


Quellen: E.Simon "Die Götter der Römer", W.Vollmer "Wörterbuch der Mythologie", H.Gärtner "Kleines Lexikon der griechischen und römischen Mythologie", "Der kleine Pauly"

 

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