GEOGRAFIE |
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COMAGENIS ALPHABETISCH |
Comagenis (Tulln) Namensgebung Der Name Comagenis für das heutige Tulln in Niederösterreich ist eigentlich nur aus spätantiken Quellen - Itinerarium Antonini (Strassenliste um 300 n.Chr.), Notitia dignitatum (Truppenaufstellung um 425), Tabula Peutingeriana (Strassenkarte um 435), Vita Severini (Lebensbeschreibung des Heiligen Severin von 511) - überliefert. Die Bezeichnung geht allerdings zurück auf die dort ehemals stationierte Ala I Commagenorum, sodass die gleiche Namensgebung als Ortsablativ Com(m)agenis "bei den Kommagenern" bereits in der hohen Kaiserzeit anzunehmen ist. Somit dürfte das Lager der berittenen Einheit als Castra Commagena bezeichnet worden sein und die zivile Lagersiedlung eben vereinfacht als Comagenis. 1451/52 beschäftigte sich der Historiker Thomas Ebendorfer von Haselbach mit der Vita Severini und machte für die Forschung eine wichtige Randbemerkung auf einer Abschrift derselben: "...die Festung Tulln, die Comagenis ist.". Im 19.Jh. wurden die antiken Quellen mehrfach durchforstet und bestätigt, dass Tulln den Namen Comagenis als römischen Vorläufer hatte. Die Anfänge von Comagenis (ca. 45 bis 100 n.Chr.) Vor der Einführung des Provinzialstatus in Noricum, dürften sich an besagtem Ort lediglich Wälder und Auen befunden haben. Die Anlage eines befestigten Lagers wird Kaiser Claudius in die Wege geleitet haben, der es wie die anderen entlang der norischen Donaugrenze von seinen Militäringenieuren auf der "grünen Wiese" planen liess. Der Standort bot folgende Vorteile: einigermassen hochwassersicher, günstige Überfuhrmöglichkeit an das andere Ufer & Schiffsanlegemöglichkeiten am Donauhauptarm. Das römische Tulln ist auch noch heute allgegenwärtig... So dürfte um 45 n.Chr. ein erstes Holz-Erde-Lager entstanden sein. Leider lassen sich für dieses Lager weder ein Name, noch eine Einheit ausmachen, die damit verbunden werden könnten. Auch eine Auflassung in neronischer oder vespasianischer Zeit ist denkbar. Bautätigkeit trat erst wieder unter Kaiser Domitian auf, der das Lager zumindest mit einer Lehmziegelmauer (eine unübliche Vorgangsweise) verstärken und Bauten im Inneren errichten liess. Leider gibt es diesbezüglich keine gefundene Bauinschrift, sodass auch hier die Truppe nicht ausgemacht werden kann; wenn auch mit einer aus dem Hinterland vorgezogenen norischen Einheit zu rechnen ist. Comagenis in der hohen Kaiserzeit (ca. 100 bis 260 n.Chr. Um das Jahr 100 n.Chr. wurde die zunächst in Ägypten liegende Ala I Commagenorum in das erwähnte Lager verbracht. Infolge der Regimentgrösse musste es deutlich erweitert und für Kavalleriezwecke umfunktioniert werden. Entsprechend einer gefundenen Bauinschrift von 104 n.Chr. wurde das Lager in Steinbauweise am alten Standort neu und grösser errichtet. Archäologisch konnte die Ausdehnung und ein kleiner Teil der inneren Struktur erschlossen werden. Demnach umfasste das Lager etwa eine Fläche von 5,27 ha, was etwas unter der Norm von 6 ha für ein solches Reiterlager lag. Leider konnten auch die Stallungen (wahrscheinlich östlich gelegen) bislang nicht entdeckt werden. Im weiteren Verlauf der hohen Kaiserzeit wurde das Lager kaum verändert. Um den logistischen Anforderungen gerecht zu werden lag Comagenis einerseits an einer der Reichsstrassen (wohl seit Claudius) und andererseits mit einem Hafen an der Donau (wohl um 100 n.Chr.). Die nächstgelegenen Zentren waren im Westen das Lager Asturis (Zwentendorf; Name unsicher) und im Osten das Lager Cannabiaca (Zeiselmauer; Name ebenfalls unsicher). Die Reichstrasse ging vor dem Kastell in einem Knick durch das Lagerdorf. Im Westen gelangte man nach Cetium (St. Pölten), im Osten nach Vindobona (Wien). Gefundene Meilensteine (teilweise in situ!) belegen den Strassenverlauf. Vielleicht schon während des Lagerbaus begannen die Arbeiten an der canabae (zivile Lagersiedlung). Der Siedlungskomplex erstreckte sich im West- und Südbereich des Lagers. Im Osten fehlt bislang ein Nachweis, was vielleicht auf die militärische Nutzung des Areals hindeutet. Ausserdem ist archäologisch ein Unterschied zwischen den lagernahen (Westen: Siedlungsgebiet Veteranen & höhere Chargen; Süden: öffentlich-militärische Funktion) und lagerfernen Gebäuden (Westen: Geschäfts- & Wohnviertel; Süden: Gewerbe- & Wohnviertel) festgestellt worden. Die Zahl der Einwohner wird auf mehrere tausend geschätzt. Zwar unterstand die Siedlung formell dem Militär (da sie ja auf dem Militärterritorium lag), hatte aber eine zusätzliche Selbstverwaltung römischer Art, die damit aber nicht der Zivilverwaltung in Aelium Cetium (St. Pölten) unterstand. Wie das Lager wurde auch die Zivilstadt während der Markomannenkriege nicht beschädigt. Comagenis in der Spätantike (ca. 260 bis 488 n.Chr.) Mit der Eingliederung der stationierten Truppen in das mobile Reichsheer, wird das Lager mit Sicherheit von einer Grenzschutzeinheit bezogen worden sein. Deren Name ist leider nicht auf uns gekommen. In der 2.Hälfte des 4.Jh.n.Chr. baute man das Lager in eine Festung um. Die Mauern wurden verstärkt und die Zahl der Türme vermehrt. Diese Schanzarbeiten dürften unter Kaiser Valentinianus I. ihren Abschluss gefunden haben. Ab dem 5.Jh.n.Chr. ist man durch die Notitia dignitatum wieder über die stationierten Truppen informiert. In Comagenis lagen demnach die Equites promoti (eine berittene Spezialeinheit). Im mobilen Reichsheer fanden sich auch noch Lanciarii Comageninenses (eine Infanterietruppe). In jener Zeit war die Versorgung der einzelnen burgi (Kleinkastelle an der Grenze) über Wasser besonders wichtig geworden. Deshalb residierte in Comagenis ein praefectus classis Comaginensis (Kommandant der lokalen Grenzsicherungsflottille) als Teil der Donauflotte). Parallel mit der ständigen Reduzierung der mobilen Truppen und der Ansiedlung fest an ihren Ort gebundener Grenzsoldaten wurde der freigewordene Platz innerhalb des Lagers von der Zivilbevölkerung in Beschlag genommen. Die Lagervorstadt war trotzdem bis in das 4.Jh.n.Chr. bevölkert und wurde erst im Jahrhundert darauf endgültig aufgegeben. In der Vita Severini ist nur noch von einer kleinen Grenzschutzeinheit aus germanischen Söldnern die Rede, die als Föderaten die Flussgrenze zu sichern hatten. Der alte Begriff castra wurde auch durch oppidum ersetzt; die Einwohner als habitatores oppidi oder oppidanei (Stadtbewohner) bezeichnet. Ab etwa dem Jahr 300 n.Chr. verschlechterten sich die klimatischen Bedingungen und viele landwirtschaftliche Nutzflächen konnten nicht mehr im bisherigen Ausmass bewirtschaftet werden. Feuchtgebiete und Wälder dehnten sich aus; die Hochwässer an der Donau nahmen deutlich zu. Allerdings dürfte der nördliche Teil des Lagers, der heute theoretisch in der Donau läge, erst im Frühmittelalter durch ein Hochwasser unter- und weggespült worden sein. Während eines Aufenthaltes des heiligen Severins ereignete sich am 7. September 456 n.Chr. ein Erdbeben, das scheinbar keine besonderen Schäden anrichtete. Der wichtigste Machtfaktor im 5.Jh.n.Chr. in Ufernoricum waren die Rugier. Dieser ostgermanische Stamm hatte sich im Weinviertel und in der Wachau angesiedelt. Ob sie den Status von Föderaten hatten, bleibt unklar. Jedenfalls hatte der heilige Severin sein ganzes diplomatisches Geschick in die Waagschale zu werfen, um den Bewohnern von Comagenis und Umgebung das Leben zu erleichtern. Nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches akzeptierten die Rugier den neuen Herren über Italien und Noricum, Odoaker, nicht und erhoben sich gegen sein Regiment. In einer Entscheidungsschlacht wurden sie 487/488 n.Chr. nördlich der Donau vernichtend geschlagen. In Folge sollte Odoaker die Grenze seines Herrschaftsgebietes in die Alpen verlegen, sodass lediglich Binnennoricum noch unter "römischer" Herrschaft stand. Wohl seit dem 3.Jh.n.Chr. wird in Comagenis das Christentum vertreten gewesen sein. Zu Zeiten des heiligen Severins existierte bereits eine ecclesia (Kirche), die allerdings bislang nicht lokalisiert werden konnte. Auch der Fund eines Bronzerings mit Christusmonogramm bezeugt die Existenz einer Kirchengemeinde. Eine wichtige Rolle spielten auch die Kulte des Mithras und des Iuppiter Dolichenus, die beide mit den Soldaten aus dem Osten des Imperiums nach Noricum gekommen waren. Bislang konnten drei Gräberfelder lokalisiert werden. Das nordwestliche Feld ist der Frühzeit der Siedlung zuzurechnen, das südwestliche und südliche der Spätantike. Entwicklung nach dem Abzug der römischen Truppen & Verwaltung Nach dem organisierten Abzug der römischen Bevölkerung durch Odoaker im Jahre 488 n.Chr. bestand die Siedlung in vermindertem Umfang weiter. Vor allem Slawen siedelten nun in den verlassenen Lagerstädten entlang der Donau; wobei sich die Bevölkerungszahl nicht einmal mit jener der Spätantike messen kann. Noch im Awarenfeldzug von Karl dem Grossen 791, wird die Civitas Comageni erwähnt. Es ist anzunehmen, dass sich der Name auf die Reste der zusammengeschrumpften spätantiken Festung innerhalb der alten Lagermauern bezieht. Diese Reste wurden zum Ausgangspunkt der hochmittelalterlichen Stadtentwicklung. Extra civitatem (ausserhalb der Stadt) entstand seit 1014 eine Kirchensiedlung, die aber wohl immer noch auf die Fundamente des alten Lagers basierte. Erst gegen Ende des 10 Jh. ist für die Siedlung ein neuer Name überliefert. Vielleicht 985 bzw. 991 werden die Tullonenses (Tullner Bürger) erwähnt und Comagenis fiel für gut 500 Jahre der Vergessenheit anheim. |
Glaskännchen aus lokalem Fund |
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Quellen: R.Hübl, "Römisches Tulln - Das antike Comagenis", mit freundlicher Unterstützung von Frau Pauser vom Magistrat Tulln |
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(PL) |