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RELIGION
Mysterienkulte der Antike


MITHRAS I
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Der Mithraskult

Der Mithraskult als Mysterienreligion im hellenistischen und römischen Zeitalter

Die Mysterienreligion  im hellenistischen Zeitalter hoben vor allem die lebensspendende und fruchtbarkeitsbringende Funktion des Mithras hervor. Sie wurde eingebettet in einen Weltschöpfungsmythos, in dem tauroktonos (grch. "Stiere töten") als göttliche Grosstat die zentrale Rolle spielte. Das Erlegen eines Tieres und das anschliessende gemeinsame Mahl der Jäger lässt sich indes als rituelle Handlung bis in die Steinzeit zurückverfolgen. Erst durch die Tötung des Stieres entstand für die Menschen Nutzbringendes und damit die Welt in ihrer Vielfalt. Dieser Akt bildete die Basis für die Kultfeiern.

Die Funktion über den Heilsbringer hinaus zum Erlöser zu geraten, hatte aber bereits ihre Wurzeln im persischen Hochland, wie einige Namensgebungen (z.B. Mithraboyzanes, grch. "Erlösung durch Mithras besitzend") beweisen. Durch den beständigen Kampf zwischen den Gegensätzen war es für die Mysterien relativ einfach die Brücke zwischen Demiurg, d.i. der Weltenschöpfer, und Eschatologie (Lehre vom Weltenende) durch das vor allem in Mesopotamien verehrte reinigende Feuer zu konstruieren.

Unter dem Eindruck der griechischen - vor allem platonischen - Philosophie dachte man sich Mithras als eine entschieden kosmische Gottheit, die mit Helios im sichtbaren Himmel herrsche und zu der die menschliche Seele in Etappen aufsteigen konnte. In römischer Zeit erschien Mithras schliesslich als genitor luminis (Schöpfer des Lichts) und folgte dem Sol Invictus (der unbesiegte Sonnengott) als unbesiegbarer Überwinder der Finsternis samt ihrer Mächte. Die königliche Kämpfernatur des Mithras sorgte indes dafür, dass der Kult nur Männern zugänglich war.

Nach einer Aufschwungphase im 1.Jh.n.Chr. erreichten die Mithrasmysterien im 2. & 3.Jh.n.Chr. ihren Höhepunkt. Verbreitung fand der Kult in gleichem Masse, wie die meisten anderen typisch römischen Elemente römischer Religion durch die Soldaten, Händler, aber auch Sklaven. Es scheint, dass alle Bevölkerungsschichten (d.h. deren männliche Vertreter) gleichmässig angesprochen wurden. Die Zahl der sich aus den Gläubigen rekrutierenden Priester dürfte bei zehn bis zwanzig Prozent gelegen sein.

Verehrung fand Mithras nicht in klassischen Tempeln, die sich ja als offene, leicht zugängliche religiöse Sphäre darboten, sondern in eigenen - Mithräen genannten - Kulträumen. Verbreitet waren diese Heiligtümer vor allem in der Nähe von Militärlagern und damit entlang der Grenzen. Besondere Beispiele fanden sich in Aquincum und Carnuntum an der Donau, sowie Kön, Wiesbaden, Hedernheim/Frankfurt sowie Strassburg am Rhein, aber auch tiefer in den Provinzen von Gallien und Britannien. Schlussendlich darf Italien nicht vergessen werden, wo neben Rom auch Ostia Zentren des Mithraskultes waren.

Während der hohen Kaiserzeit stand der Mithraskult in engem Zusammenhang mit Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Kaiser. Weihungen pro salute et incolumitate Augusti (für Heil und Unversehrtheit des Kaisers) waren besonders Häufig als Einleitungsformeln in Inschriften anzutreffen. In der Zeit des Niedergangs während des 3.Jh.n.Chr. stellte man besonders den Protektionscharakter des Mithras hervor, was mit einer Verschmelzung mit Sol Invictus einherging. In der Diocletianischen Epoche wurde so daraus der Sol invictus Mithras (der unbesiegte Sonnengott Mithras). Man identifizierte Mithras nun mit den klassisch römischen Tugenden fortitudo (Tapferkeit), pietas (Frömmigkeit) und iustitia (Gerechtigkeit). Der innere Zusammenhalt der Mysteriengemeinden sorgte zudem für eine verstärkte Loyalität mit den Kaisern, was zwar nicht bewusst herbeigeführt, jedoch gerne als angenehmer Nebeneffekt begrüsst wurde. Es ist sicher nicht von der Hand zu weisen, dass der Mithraskult an der Wende zum 4.Jh.n.Chr. massgeblich zur Stabilisierung des ins Trudeln geratenen Römischen Reiches beigetragen hatte. Dass er sich jedoch nicht von einer weitverbreiteter zu einem umfassenden Religion entwickeln konnte lässt sich zweierlei begründen. Erstens war der Kult nur Männern zugänglich, sodass die Hälfte der Bevölkerung ausgeschlossen war, und zweitens bildeten die Gläubigen stets eine abgeschlossene Gemeinschaft, der sowohl grossflächige Organisation als auch Missionsgedanke fehlte.

Von Iulianus, dem letzten heidnischen Kaiser und Eingeweihten, der die Bevorzugung des Christentums rückgängig machen wollte, erhielt sich ein Hymnus auf den Mithraskult im Jahre 360 n.Chr. Darin ist zu erkennen, dass diese Religion in ihren philosophischen Tendenzen dabei war, die Enge der Mithräen zu sprengen. Mithras-Sol stellte demnach die Ausstrahlung des obersten göttlichen Prinzips dar, lenkte alle Gottheiten des Römerreiches und brachte die Sonne als zentralen und lebensspendenden Mittelpunkt in die materielle Welt. Als demiurgos (Weltenschöpfer) und mesotes (Mittler) stand er verbindend und erklärend zwischen dem Sichtbaren und der göttlichen Sphäre. Diese Idee war indes nicht neu und wurde in Teilen bereits durch Dionysos, Iuppiter und Pluto realisiert. Auch die Mysterien rund um Isis, Osiris und vor allem Serapis gingen tendenziell in die gleiche Richtung. Als additiven soter (Retter) stellte man ihm Aesculapius zur Seite, der für Gesundheit und Wohlergehen der Menschen sorgte. Wie man sich in der Spätantike all diese Vermengungen vorzustellen hatte, lässt sich aus der Inschrift des Grabsteins von Vettius Agorius Praetextatus - einem der letzten anerkannten Vermittler zwischen den alten Kulten und dem Christentum - herauslesen. Ihm zufolge stellten sich alle Götter als divum numen multiplex (Wesensvielfalt der Gottheiten) dar.

Das sistrum (Kultrassel) wurde auch im Mithraskult verwendet.


Quellen: H.Kloft "Mysterienkulte der Antike", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)