Version LVI

RELIGION
Mysterienkulte der Antike


MITHRAS I
MITHRAS II
MITHRAS III

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Der Mithraskult

Die Ausgestaltung des Mysterienkultes

Die Bauweise der Mithräen sollten eine kultnotwendige Abgeschiedenheit sicherstellen. Deshalb stand ein unterirdisch liegendes spelaeum (höhlenartig ausgebrachter Kultraum) in Verwendung. Der Ort symbolisierte zum einen den dunklen Schoss der Erde und zum anderen mittels der oberen Wölbung im Raum den Kosmos. Gewöhnlich musste man zunächst einen Vorraum durchschreiten, ehe man in den Kultraum gelangen konnte. Die Ausstattung bestand aus an den Seiten befindlichen Podien zur Aufnahme der Gläubigen. Die Mithräen waren eher klein gehalten und konnten maximal zwanzig bis dreissig Personen aufnehmen.

Bestimmend für den Raum war ein Kultbild des Mithras, welches ihn bei der Tötung des Stieres zeigte. Ringsum konnte es mit zahlreichen Darstellungen aus der Mythologie rund um den Gott geschmückt sein. Auch die Darstellungen anderer mit ihm in Verbindung gebrachter Gottheiten und Figuren war möglich; z.B. die beiden Cautes und Cautopates genannten Fackelträger, welche durch Heben und Senken ihrer Fackeln den Auf- und Niedergang bzw. das Hell und Dunkel symbolisierten. Als Gottheit der himmlischen Sphäre durften natürlich Symbole von Himmelserscheinungen nicht fehlen (z.B. Sterne). Je nach Kultzusammenhang konnten an den Seiten des Raumes noch eigene Nischen für andere Gottheiten Platz finden und auch religiöse Texte an den Wänden ergänzten den Gesamteindruck. Ein bei Heddernheim/Frankfurt aufgefundenes Kultbild war drehbar. Auf der Rückseite wurde das Festmahl von Mithras und Sol nach der Tötung des Stieres dargestellt.

Rekonstruktion eines Mithräums im Keller des Museum Lauriacum in Enns/Oberösterreich
(c) imago auctoris

Um in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen zu werden, war ein Initiationsritus zu durchlaufen, auf den man sich sehr sorgfältig vorzubereiten hatte. Unter anderem gab es einen Katechismus, den der Antragsteller durchzuarbeiten hatte. Auf einem Papyrusrest des 4.Jh.n.Chr. hat man geringste Teile eines solchen Werkes gefunden. Es handelte sich um ein Frage- und Antwortspiel, ähnlich dem christlichen Glaubensbekenntnis. Hiermit wurden die Basiselemente des Glaubens für die Gläubigen zusammengefasst und der Aufnahmekandidat konnte sich damit bereits zu Beginn eine Vorstellung von der gesamten Theologie des Kultes machen.

Wie auch in anderen Mysterienreligionen üblich, konnte der Gläubige im Laufe seines Mysterienlebens verschiedene Weihegrade erhalten. Beim Mithraskult gab es insgesamt sieben Stufen, welche sich direkt auf die Entfernung vom Kultgeschehen bezogen. In den oberen Rängen fand sich die Priesterschaft selbst. Sie wurde von einem pater patrum (Vater der Väter) bzw. summus pontifex (Hohepriester) geleitet, der den Gott für die Gemeinde repräsentierte und damit die alleinige Weisungsbefugnis inne hatte. Im folgenden die Übersicht über die Weihegrade

Weihegrad Planeten-
gottheit
Elementarbereich Darstellung auf dem
zentralen Kultbild
Ergänzende Symbolik
I. Corax
(Rabe)
Mercurius Caelus
(Luft)
Rabe Caducaeus (Heroldsstab), Becher, Leier, Schildkröte, Widder
II. Nymphus
(Verlobter)
Venus Tellus
(Erde)
Schlange Lampe, Bienenpuppe, Traube
III. Miles
(Soldat)
Mars Erde? Skorpion Helm, Lanze, persische Mütze
IV. Leo
(Löwe)
Iuppiter Volcanus
(Feuer)
Hund Löwe, Adler, Donnerkeil, Feuerschaufel, Sistrum (Kultrassel), Zypresse
V. Perses
(Perser)
Luna Oceanus
(Wasser)
Cautopates = Hesperus Akinakes, Sichel, die gesenkte Fackel, Eule, Nachtigall, Delphin, Dreizack, Wasserkrug
VI. Heliodromus
(Sonnenläufer)
Sol Caelus
(Licht)
Cautes = Lucifer Strahlenkreuz, Globus, die erhobene Fackel, Peitsche des Sonnenwagens, Palme, Hahn
VII. Pater
(Vater)
Saturnus
(als Zeitgott)
Volcanus
(Feuer)
Mithras Stab, Schale, Krug, Sichel, Steuerruder

Es ist unbekannt, inwieweit die philosophisch-theologischen Hintergründe des Kultes von den Gläubigen verinnerlicht bzw. geglaubt wurden. Wie auch bei anderen Religionen werden einfachere Botschaften die Menschen mehr angesprochen haben. Man maskierte sich, um die entsprechenden Grade zu versinnbildlichen, man kam in einer Gemeinschaft zusammen und man feierte auch gemeinsam ein rituelles Mahl mit Brot und Wein. Dazu gab es natürlich auch religiöse Formeln und gewisse Riten, welche dieses mythische Jagdmahl von Mitras und Sol auf eine höhere geistige Ebene heben sollten. Gebete, heilige Instrumente und Segenssprüche - und das alles in einem eher beengten Raum - sollte ein Gemeinschaftsgefühl aufkommen lassen.

Der Kult als Mysterium bot den Gläubigen aller Bildungs- und Bevölkerungsschichten komplexe Zusammenhänge des Lebens und des Kosmos in einprägsame und einleuchtende Bildmotive umzusetzen. Der Einzelne hatte in der Gemeinschaft Teilhabe an der Weltschöpfung durch den Tod (des Stieres) und konnte über die verschiedenen Weihegrade sich dem Göttlichen annähern, das zeitlich entrückt in höchster Sphäre eben eine kosmische Dimension darstellte.

Als oberster Feiertag der Mithrasanhänger galt der dies natalis Solis invicti (Geburtstag des unbesiegten Sonnengottes) am 25. Dezember. Da dieser Tag trotz verstärkter Christianisierung stets mit der Sonne in Verbindung gebracht wurde, sahen sich die christlichen Führer bereits im 4.Jh.n.Chr. dazu genötigt hier die Geburt Jesu zu feiern. Damit konnte die mit Mithras-Sol verbundene Heils- und Rettersymbolik dem Christentum dienstbar gemacht werden. Noch im 7.Jh.n.Chr. waren deshalb Anknüpfungen an die alten Sonnenkulte spürbar, obwohl zu dieser Zeit praktisch niemand mehr etwas von Mithras wusste.

Das sistrum (Kultrassel) wurde auch im Mithraskult verwendet.


Quellen: H.Kloft "Mysterienkulte der Antike", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)