Version LVII

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Venus

Venus (grch. Aphrodite, ägypt. Hathor) war die altitalische Göttin der Gärten, des Liebreizes und des Begehrens. Der Name ist verwandt mit venustas (Anmut) und venerari (verehren). Diese Wörter tauchten zuerst nur in religiösen Texten auf, wenn man von den Göttern venia (Zuwendung, Gunst, Gnade) erflehte. Auch besteht ein Bezug zum altlateinischen Wort venos, das dem griechischen charis (Huld, Liebreiz) entspricht. Die Etrusker stellten sie wie Turon oder Menerva geflügelt dar.

Der Aphrodite entsprechend war sie später die Göttin der Liebe und wurde von den Römern als Ahnherrin und Beschützer der Römer verehrt. Sie stand auch in enger Beziehung zu den Kulten der babylonischen Ischtar, der phönizischen Astarte und er ägyptischen Isis. Selbst italische Vorläuferinnen der Göttin zeigen orientalischen Einfluss. Aus dem 7.Jh.v.Chr. ist etwa eine nackte weibliche Gestalt mit grosser Scheibe am Kopf bekannt; einer typisch ägyptischen Darstellung. Sie ahmen im wesentlichen Astarte nach, die damals im Gepäck des Orienthandels nach Italien gekommen war.

Aphrodite ist die Tochter des Zeus und der Okeanide Dione. Ihre Macht über die Menschen und zahlreiche Götter war gross. Nur Athene, Artemis und Hestia waren ihr nicht untertan. Sie ist die Gemahlin des Hephaistos, hatte aber immer schon zahlreiche Liebhaber, so den Kriegsgott Ares, aber auch Hermes war ihr nicht abgeneigt. Die Kinder aus diesen Verbindungen waren zumeist recht eigenwillige Gestalten. Ihr Lieblingskind war der schöne Jüngling Adonis.

Ihr wichtigstes Attribut war ein Gürtel, in dem aller Liebeszauber eingeschlossen war. Hera lieh in sich einmal, um Zeus zu verführen. Alle die ihre Macht nicht anerkannten, wurden grausam bestraft. Die ersten Aprilnächte wurden mit Orgien zu Ehren der Göttin gefeiert. Dazu gehörten auch Streiche unter Freunden (vgl. Aprilscherz, den auch die Germanen in ihren Frühlingsbräuchen hatten).

Als Mutter des Aeneas wurde sie schliesslich zur Ahnherrin der Römer. Ihr ältestes Heiligtum im weiteren Einflussbereich des römisch-phönizischen Handels stand an der Nordwestspitze Siziliens auf dem Berg Eryx. Der dort praktizierte Kult war orientalischer Art, was im speziellen durch die Existenz von Hierodulen (Tempelprostituierte) belegt ist.

Die Stadt Rom bestand bereits seit viereinhalb Jahrhunderten, als dort der erste offizielle Venustempel errichtet wurde. Im Jahre 295 v.Chr. weihte man der Göttin Venus obsequens (die Erhörende) ein Gebäude, das aus den Strafgeldern jener Matronen finanziert wurde, die Ehebruch begangen hatten. Hinter dem Bau stand also ein moralischer Sinn und Zweck. Er lag in der Nähe des Circus Maximus, konnte aber leider bis heute nicht aufgefunden werden. Das Einweihungsfest fiel interessanterweise auf das Datum der Vinalia rustica, dem ländlichen Weinfest vom 19. August. Bereits der alte Kalender von Antium wies Venus- und Weinfest am gleichen Tag aus. Dazu muss festgehalten werden, dass nicht Bacchus, sondern Iuppiter dieses Fest dominierte.

Während der kritischen Lage des zweiten Punischen Krieges liess Q. Fabius Maximus - genannt Cuncator (der Zauderer) - auf Befehl der Sibyllinischen Bücher 217 v.Chr. auf dem Kapitol den zweiten offiziellen Venustempel errichten. Der Weihetag ist leider nicht überliefert, aber die Nähe zum Iuppitertempel dürfte von äusserster Wichtigkeit gewesen sein. Das Gebäude bestand aus zwei cellae (Kultraum), die nur durch einen Regenwasserkanal getrennt waren. Als Kultgenossin von Venus Erucina (Bezug zum Berg Eryx) erschien zunächst Mens - die personifizierte Vernunft - wohl im Versuch der Liebe eine rationale Komponente zu verleihen. In jener Zeit erscheinen vermehrt Personifikationen im römischen Pantheon: Iuventas, die Jungend, Victoria, der Sieg, Honos, die Ehre, Virtus, die Mannhaftigkeit und Mens, die Vernunft.

Im gleichen Jahr wechselte sie aber den Kultpartner hin zu einem echten Gott. Auf Anraten der Sibyllinischen Bücher wurde sie zur Gefährtin des Mars. Bei der ebenfalls erstmals abgehaltenen Götterbewirtung teilten sich ihre Symbole bzw. Bilder das gleiche Sofa.

Tempelprostitution wäre auf dem Kapitol in Rom im 3.Jh.v.Chr. undenkbar gewesen. Aber zwischen 184 und 181 v.Chr. erhielt Venus Erucina einen weiteren Tempel. Ausserhalb der Porta Collina im Nordosten Roms liegend war er das Hauptheiligtum der meretrices (die offiziellen - d.h. hauptberuflich arbeitenden - Prostituierten). Im Gegensatz zum kapitolinischen Venustempel, der die Zeiten nicht überdauert hat, kamen beim zweiten Erucina-Tempel bereits im 19.Jh. wichtige Fundstücke zu Tage. Bekannt ist vor allem ein Kolossalkopf der Venus (solche waren typisch für phönizische Tempel) aus dem 2. Viertel des 5.Jh.v.Chr. Eine Verbringung vom grossen Heiligtum in Sizilien erscheint wahrscheinlich. Zur gleichen Zeit schuf man auch Darstellungen, die Venus gleichzeitig als nackte Hetäre beim Symposion und als verhüllte Braut beim Weihrauchopfer zeigen. Ein Beweis für die Breite ihrer so klar definierten Funktion.

links: 11,2 cm grosse silberne Venusstatuette aus Kaiseraugst;
rechts: 83 cm hoher Kultkopf der Venus Erucina, frühes 5.Jh.v.Chr.
(c) ex collectione imaginum W.Tungsten; similiter in libro E.Simon "Die Götter der Römer"

Im Laufe des 2. Jh. v.Chr. wurde sie im Zuge der Verbreitung der Sage des Aeneas den sonstigen Übereinstimmungen mit der griechischen Aphrodite gleichgesetzt. Ihre Mythen wurden nun auf Venus übertragen. Aber schon zwei Jahrhunderte vorher tauchten Geschichten auf, wie man anhand eines gefundenen Handspiegels erkannte. Proserpina und Venus stritten sich um Adonis und wählten Iuppiter zum Schiedsrichter, der - ganz im solomonischen Gedankengut verhaftet - jeder eine gewisse Zeit mit dem Jüngling zuweist. Proserpina ist damit zufrieden, doch Venus - die Verkörperung der absoluten Liebe - ist gekränkt.

Dem republikanischen Historiker Cassius Hemina nach, brachte Aenas aus Sizilien ein Kultbild seiner Mutter Venus nach Lavinium. Dort wurde sie Frutis genannt und das Heiligtum hiess Frutinal. Die Forschung nimmt an, dass es bei Frutis um den Vorläufernamen der Venus gehandelt hat, der von Aphrodite abgeleitet worden war. Der Geograph Strabo lokalisiert später in Lavinium ein gemeinsames Heiligtum der Latiner, das er griechisch Aphrodision nannte. In die Zeit der mittleren Republik war daraus ein grosser heiliger Bezirk mit 13 Altären geworden. Der älteste wurde in das 2. Viertel des 6.Jh.v.Chr. datiert. Zahlreiche Funde belegen die Anwesenheit grosser Menschengruppen während der Blütezeiten im 6. und 4.Jh.v.Chr. Neben Venus wurden auch andere Gottheiten, wie etwa Castor und Pollux oder Ceres, verehrt.

Hier erscheint Venus auch als Göttin des Abendsterns. Beim Einbruch der Dämmerung wurden ihr beim Erscheinen des Planeten im Westen, porrum (vermutlich eine orientalische Zwiebelart), Lauch oder Knoblauch am Altar geopfert. Dieser auf die Gestirne gerichtete Charakter ist auch bei ihrem griechischen Pendant spürbar, da Aphrodite in Athen auch als "Urania in den Gärten" bezeichnet wurde. Damit ist die Tür zu einem weiteren Refugium der Göttin aufgestossen; zu den Gärten. Die frühe Venus war Herrin der Obst- und Gemüsegärten gewesen. Der Gartenkult stammte ursprünglich aus Mesopotamien. Im Neubabylonischen Reich sollen Unmengen von verschiedenen Zwiebelarten verspeist worden sein. Bleibt noch zu erwähnen, dass Zwiebel und Lauche in Latium bestens gediehen.

Im 4. und 3.Jh.v.Chr. scheint die Tempelanlage auch die Funktion einer Heilstätte gehabt zu haben. Zahlreiche Votivgaben in Gestalt eines uterus (Mutterleib) belegen vorherrschend gynäkologische Heilfunktion. Zusammen mit Ceres dürfte sie in jener Zeit generell als Heilgöttin anerkannt gewesen sein. Es bestand sicher ein Zusammenhang mit Mefitis, der Göttin der Schwefeldämpfe, die für ihre heilsame Wirkung bekannt waren. Hier schliesst sich jetzt der Kreis mit der Göttin der Schönheit. Schwefelbäder wurden nicht nur als förderlich für die Fruchtbarkeit angesehen, sondern mit Schwefel konnte man auch Hautunreinheiten, Muttermals und Sommersprossen bekämpfen (Schwefel ist ein Bleichmittel). Somit stand die gesamte Palette der Schönheitsmedizin unter der Patronanz von Venus und dass sich in der Nähe von Lavinium Schwefelquellen befanden bräuchte schon gar nicht mehr erwähnt werden.

Später verfiel das Heiligtum. Bereits Strabo sprach von samnitischen Verwüstungen und Plinius konnte in der flavischen Kaiserzeit in der Vergangenheitsform des "einstigen Aphrodisium" sprechen. Archäologisch belegt ist der Niedergang bereits seit dem 3.Jh.v.Chr. Der Grund dürfte in der Konkurrenz der stadtrömischen Venusheiligtümer zu sehen sein.

Reinigung bedeutete im antiken Sinne auch Heilung von Beschwerden, Verletzungen und Krankheiten. Als Herrin der Gärten war Venus damit Gebieterin über die Heilkräuter sowohl wilder als auch gezüchteter. Aber nicht nur mit Schwefel und Kräutern, auch mit Wasser kann man heilen (vgl. Kneippkur). So kann im alten Rom neben der Mefitis vom Esquilin auch die Cloacina vom Forum Romanum als Vorläuferin des Venuskultes gesehen werden. Die Cloaca Maxima wurde in der Königszeit weniger als Ingenieurbau, denn als religiöses Bauwerk angesehen. Sie brachte Reinigung von Seuchen. In der Kaiserzeit wurde sie auch als Venus Cloacina bezeichnet.

Geburt der Aphrodite, Altarrelief, 460 v.Chr.
(c) e collectione imaginum W.Tungsten; similiter in libro E.Simon "Die Götter der Römer"

In der ausgehenden Republik wurde die Göttin immer mehr zur Identifikationsfigur des römischen Volkes. Bereits zu Zeiten eines Sulla und Marius galt sie durch die Aeneassage als Stammmutter der Römer. Diese dem römischen Religionsverständnis eigentlich entgegenlaufende Sichtweise wurde vor allem durch die Griechen betrieben. Durch die Eroberung des antiken Hellas sickerte die Idee einer Venus Gentrix in römisches Gedankengut ein.

Caesar schliesslich spannte sie für politische Zwecke seiner eigenen Familie ein. So errichtete er der Venus Gentrix als Stammmutter seines Geschlechts 46 v.Chr. einen Tempel. Die sonst sehr konservative römische Religion dürfte dies wohl nur deshalb akzeptiert haben, weil sich Caesar damit auf die trojanische Herkunft berufen konnte.

Der Diktator schoss dabei aber auch über das Ziel hinaus. Der Gentrix-Tempel war ein Musterbeispiel für Exotik und Extravaganz. Versehen mit Attributen der Isis liess er darin eine vergoldete Kleopatra-Statue aufstellen. Leider ist der Typus des Kultbildes nicht überliefert. Mutmassungen gehen in Richtung einer thronenden Venus Gentrix auf hochlehnigem Stuhl geschmückt mit Sonne, Mond und Sternen.

Ein überaus glühender Verehrer der Venus war Pompeius. Das durch ihn errichtete erste steinerne Theater Roms war mit einem Tempel der Venus Victrix, der siegreichen Venus, verbunden. Die Sitzreihen führten einer grossen Treppe gleich zum Altar hoch. Die cella (Kultraum) wurde dem Theaterrund angepasst. Diese Form verbreitete sich rasch und hatte noch auf die christliche Architektur Einfluss. Die letzte grosse Tempeleinweihung vollzog sich 135 n.Chr. unter Hadrian, der selbst als Architekt beim Entwurf des Baues Hand anlegte. Das Gebäude war Venus Felix und Roma Aeterna geweiht. In der Spätantike nochmals wiederhergestellt wurde es die prächtigste Kirche im spätantiken Rom.

In den Lararien der Privathäuser gehörten Venus und Mars quasi zur Standardausrüstung. Zwar gab es in ganz Rom keinen einzigen Tempel, wo beide Gottheiten miteinander verehrt worden wären, doch tauchten bei vielen Kultbauten die beiden gemeinsam als Statuen auf. Ein Beispiel mag das Pantheon des Agrippa sein, das zwischen 27 und 25 v.Chr. errichtet wurde. Dort führten Venus und Mars die Schar der Götter an. Aber auch im Tempel des Mars Ultor, des rächenden Mars, vom Jahre 2 v.Chr. vermutet man eine Venusstatue an der Seite des Mars. Dabei muss festgehalten werden, dass die offizielle Gruppierung der beiden nicht der griechischen Liebschaftsmythologie entsprach (bei den Lararien sehr wohl!). Mars war als herrschsüchtiger Gott durchaus mit Iuppiter auszutauschen.

Ein vielfach in den Lararien vorkommender Venustyp war die badende Venus. Als Herrin der Bäder war sie in ihrem Tempel auf dem Forum Iulium mit Wasserspielen und Brunnennymphen verbunden. Aphrodite wurde der Sage nach aus dem Meerschaum geboren und der Bezug zum Element Wasser war damit hergestellt. Darauf bezog sich auch die Verehrung des Pompeius, der als Feldherr zur See gegen die Piraten vorgegangen war.

In der bildenden Kunst wurden Aphroditestatuen bereits in römischer Zeit oft kopiert und gingen gemeinhin als Venusstatuen in die Kunstgeschichte ein. Der Begriff wurde schliesslich auch auf figürliche Frauendarstellungen der Vorzeit ausgedehnt (vgl. die Venus von Willendorf). Bis in das 4. Jh. v.Chr. zeigten Statuen die Göttin stets bekleidet, ab dann wurden die Darstellungen frivoler aber auch kunstvoller.

Die Aprilscherze am 1. April gehen ebenfalls auf Venus zurück. Dieser Tag war der Göttin geweiht und in ihrer Art der Launenhaftigkeit, Liebe und Täuschung liess man damals schon seine Mitmenschen anrennen. Als mittelalterliche Planetengöttin sind ihre Kinder mit Spiel und Tanz beschäftigt. Als heidnische Göttin wurde sie zum Symbol der Wollust und der weltlichen Laster überhaupt; ihr Name sogar mit der Hölle in Verbindung gebracht. Die Renaissance korrigierte ihr Bild wieder zur klassischen Bedeutung. Seit dieser Zeit wurde ihr Name zum Synonym für die Liebe zwischen Mann und Frau überhaupt.

Bronzestatuette
der Venus mit Goldschmuck
aus Weissenburg
frühes 3.Jh.n.Chr.

e libro E.Simon
"Die Götter der Römer"

(c) Claus Hansmann

Bronzene Venusstatuette
mit Goldschmuck

(c) Römermuseum Augst

Rest einer Venusstatue
(c) e libro "Das antike Rom"
hic liber auctorem non nominat

Aphrodite von Knidos
Statue aus römischer Zeit
in der Glyptothek
(c) M.Brüstle

Die Taube der Venus auf dem Revers eines Aureus der Faustina iunior,
145-161 n.Chr.

e commentario periodico "money trend" 1/2010, p.35,1


Quellen: E.Simon "Die Götter der Römer", H.Gärtner "Kleines Lexikon der grch. & röm. Mythologie", Zeitschrift "money trend", "Der kleine Pauly"

 

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