WIRTSCHAFT |
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STEUERSYSTEM
VERANLAGUNG |
Die Steuererhebung
Die Steuereinhebung In den Provinzen der republikanischen Zeit wurden die Steuern durch publicani (Steuerpächter) eingehoben. Meistens handelte es sich dabei um Männer aus dem Ritterstand, die sich zu einer societas publicanorum (Pachtgesellschaft) zusammengeschlossen hatten. Gewöhnlich schlossen sie einen Fünfjahresvertrag mit dem Senat, in dem die zu erhebende Summe sowie die einzelnen Steuersätze festgelegt waren. Die Pächter besassen besonders in der republikanischen Epoche einen fundamentalen Einfluss auf die Politik, welcher den heutigen transnationalen Konzernen entspricht. Betätigte sich ein Geschäftsmann nicht im Bereich der Steuerpacht, wie etwa Titus Pomponius Atticus, so lobte man dies vor allem in aristokratisch gesinnten Kreisen. Der Steuerpächter Rabirius Postumus konnte 59 v.Chr. dem ägyptischen König Ptolemaios einen gigantischen Kredit von abertausenden Talenten einräumen und sich zum dioecetes (eine Art Finanzminister) in Ägypten ernennen lassen um das Geld zurückzubekommen. Alleine dem Proconsul Gabinius sollten 10000 Talente an Kredit ausbezahlt werden. Doch schlussendlich landete Postumus im Kerker und musste mittellos nach Rom fliehen, wo ihm schliesslich auch der Prozess wegen Korruption gemacht wurde. Man warf ihm vor, das dem Ptolemaios vermittelte Geld sei für die Bestechung römischer Senatoren verwendet worden. Durch den Rückgriff auf private Steuerpächter ersparte sich der Senat einen eigenen Finanzapparat, wie er erst in der Kaiserzeit und dann auch nur sehr abgespeckt üblich wurde. Zudem war das Steueraufkommen garantiert. Wie bei den Zollpacht mussten die Pächter Bürgen stellen, welche für den Differenzbetrag bei Mindereinnahmen der Erhebung hafteten. Da die Finanzkontrolle in republikanischer Zeit kaum entwickelt war, öffnete es Betrügereien seitens der Pächter Tür und Tor. Vor allem in der späten Republik konnten sich manche publicani extrem bereichern indem sie den Dekurionen das Geld liehen, das sie als Ausfallshaftung zu entrichten hatten. Iunius Brutus lieh über Mittelsmänner der zypriotischen Stadt Salamis 106 Talente zu einem Wucherzins von 48 %, was die Gesamtschuld auf 200 Talente explodieren liess. Zur Durchsetzung der Forderung hatte sich der Mittelsmann Marcus Scapticus vom alten Statthalter zum Präfekten einer Reitereinheit ernennen lassen und belagerte die Stadt. Der neue Statthalter Cicero konnte dem (Ein)treiben nicht wirklich Einhalt gebieten und die Aktion kostete fünf Stadträten das Leben. Mehr Erfolg hatte Cicero in Kilikien, wo er Rückzahlungstermine hinauszögern und bis dahin den Höchstzins von 12 % durchsetzen konnte. Als erster griff dann Caesar in dieses System ein, indem er 47 v.Chr. in der reichen Provinz Asia den Kommunen die Steuererhebung übertrug und zumindest dort das Pächterunwesen - trotz guter Kontakte zu ihnen - ausmerzte. Der aus der Bibel bekannte Census in Iudaea wurde vom synedrion (Hoher Rat) in Jerusalem begleitet. Es galt die zahllosen Vorbehalte der Juden gegen die Registrierung des Vermögens in Zaum zu halten. Nach dem Census war der Hohe Rat auch an der Steuererhebung beteiligt. In den Westprovinzen, namentlich Africa, Gallien und Spanien, war es durchaus üblich, dass reiche Bürger oder Amtsträger die Steuern für ihre Städte im voraus bezahlten und sie erst hernach auf lokaler Ebene kollektiert wurden. Sämtliche Kaiser seit Tiberius drängten die Pachtgessellschaften Schritt für Schritt zurück, bis endlich im 2.Jh.n.Chr. nur mehr Einzelpächter (vor allem im Zollbereich) vorkamen und die Einhebung der Steuern generell einem staatlichen Finanzapparat aus Sklaven und Freigelassenen übertragen wurde. Das stets eine Sonderstellung einnehmende Ägypten besass infolge der langen Tradition der Pharaonen nur eine rudimentär ausgebildete städtische Verwaltung. Daran hatten weder die Ptolemäer noch die Römer der frühen Kaiserzeit etwas geändert. Es existierten zwei Systeme nebeneinander. Die Zentralverwaltung erhob mittels praktores (Beamter mit religiös-ökonomischer Funktion) die direkten Steuern ein. Die indirekten Abgaben waren an Private verpachtet. Erst Kaiser Traianus installierte einen festen Finanzapparat. Zwischen 107 und 117 n.Chr. schuf er das Amt des apaitetes (Einhebungsbeamter), welcher die Umsatzsteuer einzog. Ab 160 n.Chr. ergänzte man dessen Aufgabengebiet um die Verwaltung der Naturalabgaben und die Heeresversorgung. Es war in Ägypten üblich dass die mit dem Steuerwesen in Verbindung stehenden Ämter von reichen Bürgern wahrgenommen wurden. Die Basis hierfür ging bereits auf Augustus zurück, der den Katöken (von den Ptolemäern ins Land geholte Siedler mit der Aufgabe Wehrdienst zu leisten) ihren nur nominellen Grundbesitz als echtes Privateigentum. Damit vergrösserte sich die Zahl der potenziellen Kandidaten für öffentliche Ämter beträchtlich. Anfang des 2.Jh.n.Chr. durften dann auch die Städte Steuereinnehmer ernennen und mit Einrichtung einer an Griechenland orientierten Stadtverfassung 199/202 n.Chr. übernahmen die lokalen Stadträte auch die Eintreibung der Abgaben. Im 4.Jh.n.Chr. wurden alle Steuerbeamten den städtischen Strategen - eigentlich für das Heereswesen zuständig - unterstellt, der nun auch nur mehr ein exactor (Steuereinnehmer) war. 307/308 n.Chr. teilte man die traditionellen Gaue von Ägypten in römische pagi (Bezirke), deren Leiter praepositi (Vorsteher) waren und ebenfalls Steuerhoheit ausübten. Im restlichen griechisch dominierten Osten ging die Ernennungshoheit von Steuerbeamten im 3.Jh.n.Chr. auf eigene Gremien über und zwar den Dekaproten (Zehnmannkollegium) oder den Ikosaproten (Zwanzigmannkollegium). Die Beamten teilte man dort in susceptores (Einnehmer) und exactores (Verwalter). Im Gegensatz zu Ägypten konnten auch Handwerker und Kleingutbesitzer leitende Funktionen übernehmen. Die Amtszeit der Finanzbeamten war befristet. Je nach Einsatzgebiet waren in Ägypten ein bis drei Jahre üblich. Zwischen zwei Ämtern mussten mehrere Jahre liegen, doch scheint es keine einheitliche Regel gegeben zu haben. Gerne bildeten die Beamten auch Kollegien, wie die Umsatzsteuererheber in Ägypten vom 2. bis zum 4.Jh.n.Chr. als Zweimann- bis Viermannkollegium. Jeder Beamte hatte einen Amtsbezirk zugewiesen. Typischerweise war dies ein Dorf(bezirk) oder ein Stadtbezirk. Der munus exigendi tributi (Verantwortung für die Erhebung des Tributs) lag fast ausschliesslich bei den decuriones (Stadträten) und galt rechtlich als Bürgerpflicht. Noch mehr als der Staat konnten sie infolge ihrer lokalen Beziehungen auf einen eigenen Verwaltungsapparat verzichten. Auch war die Ansprache säumiger Zahler viel einfacher, als bei den Pächtern, die gewissen rechtlichen Beschränkungen unterworfen waren. Die städtischen Finanzer besassen dabei das Recht Steuern zwangsweise ohne Rechtsmittel einzutreiben. Die Ausfallshaftung war deshalb noch einfacher als bei den publicani; zumal auch hier Bürgen gestellt werden mussten. Eindeutig zum Nachteil der Dekurionen war die Bestimmung, dass sie auch dann hafteten, wenn die Steuerausfälle aufgrund nicht beeinflussbarer Faktoren (Naturkatastrophen, Krieg, Verfehlungen untergeordneter Beamter) anfielen. Dies war mit ein Grund für den Rückzug der begüterten Bürger aus den Stadträten während der Spätantike. Dennoch gab es einen gewissen Spielraum, denn die Statthalter waren bis zu einem gewissen Punkt auch von der Willigkeit der Stadträte abhängig, sodass meist versucht wurde auf dem Verhandlungsweg eine Reduzierung der Zahlungen zu erreichen. Aus Ägypten weiss man, dass die dortigen Einnehmer ihre missliche Lage gerne übertrieben. Das scheinbar am häufigsten vorkommende Delikt war Steuerflucht. Kaiser Vespasianus führte deshalb das Prinzip der Kollegialhaftung ein, d.h. kam es in einem Bezirk zu Mindereinnahmen, so wurden sie den anderen Bezirken aliquot zugeschlagen. Kaiser Traianus schliesslich sorgte dafür, dass bestehende Steuerschulden auf alle Grundeigentümer eines Bezirks umgeschlagen wurden, was nichts anderes als einen Steuerfluchtaufschlag bedeutete. Erbschafts- und Freilassungssteuer wurden wie die Grundsteuer in der frühen Kaiserzeit verpachtet und seit Vespasianus durch eigene ritterliche Finanzprokuratoren überwacht. Die Pächter mussten hierbei eng mit den städtischen Magistraten zusammenarbeiten, da alleine diese die Listen über die Freilassungen und natürlich die Testamente führten. Im besonders verwaltungsdichten Ägypten gab es hierfür eigene stationes (Büros), was für den Rest des Reiches jedoch nicht belegt ist. Besonders in der Spätantike wurden nicht alle Steuererhebungen durch die lokalen Autoritäten vorgenommen. Ausgehend von der Provinz Africa übertrug man im 5.Jh.n.Chr. die Einhebung der collatio vestium direkt dem Statthalter und seiner Verwaltung. Die Eintreibung des chrysargyron verpachtete man ab 399 n.Chr. an die corpora negotiatorum (städtische Händlerkollegien). Genau den umgekehrten Weg beschritt man bei der collatio glebalis, die 397 n.Chr. vom kaiserlichen Hof an die Städte übertragen wurde. Das aurum oblaticium zogen in Rom und Konstantinopel die praefaecti urbi (Stadtpräfekten) und in den Provinzen eigene Beamte des Census ein. Der direkte Erhebungsprozess Da die Erhebung in republikanischer Zeit fast ausschliesslich bei Pachtgesellschaften lag und die einzutreibenden Beträge von den Censoren festgesetzt waren, waren für den Rest ausschliesslich die publicani und die Statthalter zuständig. Es lag grösstenteils in ihrem eigenen Ermessen sich die Gelder zu beschaffen. Der rechtliche Rahmen war deutlich geringer als in der Kaiserzeit. Auch benötigten die Statthalter für ihre offiziellen und privaten Kriegszüge Mittel, die sie als Vorauszahlungen einkassierten. Dies änderte sich erst schlagartig mit der Etablierung des Kaiserreichs. Nachdem die kaiserliche Verwaltung in Rom die Steuersummen festgesetzt hatte, wurden die Zahlen an die Statthalter übermittelt. In der Spätantike erging diese delegatio (hier: Mitteilung) an die mittlerweile zu Verwaltungsbeamten mutierten Prätorianerpräfekten, welche nach eigenem Voranschlag die Aufteilung auf die Provinzen vollzogen. In deren Büros (bzw. jenen der Statthalter) sammelte man alle Finanzinformationen und dazu noch jene über den Bedarf der lokalen staatlichen Verwaltung und des Militärs. Erfasst wurden die benötigten Mengen an Getreide, Heu, Stroh, Kleidung sowie Pferde und Rekruten. Daraufhin wurden die Zahlen auf Basis der Leistungsfähigkeit der einzelnen Städte und Provinzen verteilt und das Ergebnis diözeseweise dem Prätorianerpräfekten vorgelegt, der diese wiederum dem Kaiser zur Kenntnis brachte. Nach einer Prüfung auf Gesetzeskonformität und Einbeziehung bestehender Steuerschulden wurden die Präfekten mit der konkreten Umsetzung beauftragt. Das Steuerjahr wich infolge der argrarischen Berechnungsbasis vom Kalenderjahr ab und begann in der Spätantike mit dem 1. September - eben nach der Ernte. Bis zu diesem Zeitpunkt mussten die Statthalter ihre delegationes speciales (Anweisungsmitteilung) von den Prätorianerpräfekten erhalten haben. Nun beriefen sie die verantwortlichen Dekurionen der Städte zu sich und gaben die Anweisungen weiter. Prostagma (schriftliche Aufstellungen) legten hierbei die erwarteten Steuereinnahmen der einzelnen Städte fest. Die Erhebungskosten wurden schliesslich als fixer Aufschlag auf diese Summen Gesetz. Zurück in den Gemeinden verteilten die Stadträte gemäss den Angaben des Census den Steuerbetrag auf die einzelnen Grundstücke und ihre Eigentümer. Die susceptores (Einnehmer) gingen daraufhin zu allen Eigentümern und hoben den geforderten Betrag ein. Weigerte sich jemand seine Steuern zu bezahlen, so hatten die Einnehmer das Recht Verhaftungen auszusprechen. Im Todesfall ging die Steuerschuld auf die Erben über. Um Mehrfacheintreibung zu verhindern, erhielten die Steuerzahler eine Quittung mit Name, Datum, Steuerart und Summe. Dieses Verfahren dürfte während der gesamten römischen Antike - Republik, Hohe Kaiserzeit und Spätzeit - gleich geblieben sein. Für das den Provinzen in der Spätantike gleichgestellt Italien ist man über ein Schreiben von Kaiser Valentinianus I. um 369 n.Chr. wie folgt informiert: pagi (Bezirke, Gaue) sowie horrea (hier: öffentlicher Getreidespreicher) eines Stadtbezirks unterstanden diversen praepositi (Vorsteher), wobei den praepositi horreorum (Speichervorsteher) mittlerweile die grösste Bedeutung zukam, da sie die Naturalabgaben verwalteten. Die praepositi pagorum waren nur für die Eintreibung verantwortlich. Jeden Monat hatten alle Beamten breves menstrui (Einnahmslisten) zu erstellen. Vermutlich wurden diese dem tabularius civitatis (städtischer Rechnungsbeamter) zugesandt. So konnte dieser die tatsächlichen mit den geforderten Summen vergleichen. Es ist wahrscheinlich, dass in diesem Zuge auch die breves nominatorii (Steuerschuldlisten) erstellt wurden. |
Aureus des Lucius Verus |
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Quellen: F.M.Ausbüttel "Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches", H.Kloft "Die Wirtschaft des Imperium Romanum", DeMartino "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Griechen" & "Die Römer", "Der kleine Pauly" |
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