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WIRTSCHAFT
Das römische Steuersystem


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Die Finanzen der Städte

Wie auch heute entledigte sich der Staat mancher Aufgaben und delegierte ihre Durchführung samt Finanzierung an die untergeordneten Verwaltungskörper (damals eben die Städte als Träger der Zivilisation). Bestes Beispiel hierfür ist die Instandhaltung der Strassen und Poststationen. Diese Zusatzlasten ergänzten die gewöhnlichen Finanzierungsaufgaben der Städte, wie öffentliche Bäder, Parks, Denkmäler, Handelszentren, Stadtmauern, Tempelanlagen und die Wasserversorgung. Neben den erwähnten infrastrukturellen Ausgaben traten jene für spezielle Dienstleistungen. Dazu zählten neben der Abhaltung von religiösen Festen auch öffentliche Spiele und die Beherbergung von Gesandtschaften anderer Städte oder im Auftrag des Imperiums.

Als einer der wichtigsten Ausgabeposten hat jedoch die Getreideverwaltung zu gelten. Obwohl diese von Stadt zu Stadt vollkommen anders geregelt war (in Pompeii gab es etwa keine öffentlichen Speicher), besassen die meisten Städte derartige Einrichtungen. Neben dem Aufkauf von Getreide, dem Unterhalt von Speichern, der Bezahlung von Beamten für die Verteilung, traten auch Stützungsmassnahmen für die Preise. Kostenloses Getreide ist eine vor allem für Rom bekannte Massnahme, wohingegen man in den Provinzen eher einen niedrigen Höchstpreis garantierte.

Leider ist man über die Haushalte der antiken Städte kaum informiert. Folgende Zahlen mögen einen gedanklichen Rahmen bieten: Die hispanische Stadt Urso gab im Jahre 44 v.Chr. alleine für ihre Beamten (d.s. nicht nur die klassischen Verwaltungsbeamten, sondern auch städtische Arbeiter, Priester etc.) 16.400 Sesterzen per anno aus. Im 4.Jh.n.Chr. beliefen sich die Ausgaben in der Grossstadt Antiochia für eben denselben Posten auf 7500 Soldi im Jahr.

Auf der Einnahmenseite sieht die Informationslage etwas besser aus. Eine Stadt des römischen Imperiums konnte sich auf dreierlei Art und Weise Einnahmen verschaffen. Dies waren neben den gewöhnlichen Steuern, die Verpachtung von stadteigenem Land und die Stiftungen von vermögenden Privatpersonen. Alles in allem betrachtet litten die antiken Städte - das Problem ist auch heute noch wohlbekannt - in zunehmendem Masse an Geldmangel, was sich in der Spätantike zu einem der Gründe für den Zusammenbruch des römischen Gemeinwesens entwickeln sollte.

Bei der Steuererhebung der Städte ist zu unterscheiden, ob sie für das Imperium erhoben wurden, oder die Beträge für die eigene Kasse bestimmt waren. Der Steuerspielraum für die Kommunen war unverhältnismässig gering. Keine Stadt durfte einfach neue Steuern erfinden oder bestehende beliebig erhöhen. Die Steuerhoheit lag alleine beim Kaiser und seiner Finanzverwaltung (vertreten durch den Statthalter oder einen eigenen Finanzprokurator) und dort wollte man nur die eigene Kasse gefüllt sehen und betrieb eine sehr restriktive Genehmigungspolitik im Finanzbereich. Somit bestanden die Hauptsteuereinnahmen aus Abgaben und Gebühren für die Nutzung städtischer Einrichtungen (z.B. Thermen) oder Strafbeiträge. Zölle an Brücken, Häfen und speziellen Wegen waren zwar bei weitem nicht so verbreitet wie im räumlich zersplitterten Mittelalter, aber dennoch ausreichend vorhanden.

Zu den Steuereinnahmen haben sich einige Beträge erhalten. So lag das Grundsteueraufkommen (abzuliefern an den Staat) in Antiochia im 4.Jh.n.Chr. bei 30.000 Solidi. Die durchschnittlichen jährlichen Einnahmen aus Strafbescheiden in einer kleinasiatischen Stadt werden mit 2000 bis 6000 Sesterzen angenommen; in der Hispania lagen die Zahlen höher bei 5000 bis 20.000 Sesterzen. Verfolgte eine Stadt manche Delikte besonders scharf (manchmal machte man zwischen arm und reich tatsächlich keinen Unterschied) konnten in Einzelfällen Spitzenwerte von 100.000 und sogar 4 Millionen Sesterzen im Jahr erreicht werden. Es ist klar, dass hier Einkommen von Vermögenden abgeschöpft worden war.

Bei den Einnahmen aus Verpachtung von stadteigenem Land kennt man eine sehr genaue Zahl aus Pompeii: 12.847 Sesterzen konnte man dort in vespasianischer Zeit aus dem eigenen Grund und Boden an Ertrag erzielen. Die Unterschiede waren dabei beträchtlich, da es einige Kommunen gab, die über kaum oder überhaupt kein Pachtland verfügten. Andererseits existierten Gemeinden mit geradezu überschwänglichem Grundbesitz. Die Stadt Capua besass etwa in augusteischer Zeit alleine auf der Insel Creta Grund und Boden im Wert von 1,2 Mio Sesterzen und das antike Lucca kam durch Erbschaft zu einem Landgut im Wert von 1,6 Mio Sesterzen.

Da all diese Einkünfte in der Regel nicht ausreichten um den Finanzbedarf zu decken, waren praktisch alle Kommunen darauf angewiesen Stiftungen von reichen Bürgern zu erhalten. So musste man um Mitglied der Ratsversammlung einer Stadt zu werden hohe Eintrittsgelder entrichten. Für zwei Städte in Nordafrika kennt man die ungefähren Beträge, die dabei jährlich zustande kamen: Thubursicu Numidarum: 35.000 Sesterzen und Cirta 140.000 Sesterzen. Da letzte Siedlung über wichtige Tempel mit entsprechend prestigeträchtigen Priesterämtern verfügte, nimmt man an, dass die Gesamtsumme der Amtgelder für Cirta bei ca. 360.000 Sesterzen gelegen hat.

Bestand ein eklatantes Finanzloch, so griffen manche Städte zu folgendem Trick: Sie suchten beim Kaiser um die Erhöhung der Zahl der Ratsherren an (was üblicherweise genehmigt wurde). So konnten sich mehr Personen in den Stadtsenat einkaufen. Nicht zu verachten waren deshalb die direkten Stiftungen für konkrete Projekte - meist im Bereich der Infrastruktur (Bäder, Brunnen, Parks, Wasserleitungen, Strassenpflasterungen, etc.; aber auch Renovierungen bestehender Gebäude). Im allgemeinen bestand die Gegenleistung im Recht eine Ehrenstatue mit entsprechender Inschrift aufstellen zu dürfen. Als letztes Mittel blieb nur die Bettelei bei jenen Reichen, die sich bislang nicht besonders um das Gemeinwesen bemüht hatten oder die Stadt verzichtete auf geplante Massnahmen. So verwundert es nicht, dass in der Spätantike kaum noch jemand sich um ein öffentliches Amt oder eine Ratsmitgliedschaft bemühte. Im Gegensatz zu heute mussten also die Kommunalpolitiker für ihr Amt kräftig in die eigene Tasche greifen!

Die Erhebung der Steuern lag in aller Regel in der Hand von eigenen Magistraten. Dies waren meist Quästoren; im griechischsprachigen Teil des Imperiums auch Tamiai. Sie verzeichneten die Einnahmen und kontrollierten den Eintreibungsvorgang. Ob es bereits Haushaltspläne gab ist unbekannt, aber die ihnen unterstellten Schreiber und Buchhalter besassen das nötige Fachwissen um auf eventuelle Probleme hinweisen zu können. Je grösser die Stadt war, umso mehr Magistrate waren mit Einhebung und Kontrolle beschäftigt. Das Kassieren der Strafgelder war dagegen immer Teil der Aufgaben jener Beamte, in denen die Übertretung geahndet wurde (Beispiel: Wurde ein illegaler privater Wasseranschluss entdeckt, hielt die Wasserverwaltung die Hand auf.).

Gerne wurde der Finanzbedarf religiöser Feste extra erhoben. In Ephesos etwa war in der frühen Kaiserzeit zwar der grammateus tou demou für die allgemeine Erhebung und Verrechnung zuständig, doch verschaffte die gerusia (Ältestenrat) selbst dem Artemistempel die notwendigen Gelder für Feste und Symposien.

Hatten sich die Truhen im aerarium (Stadtkasse) gefüllt und war klar, dass nicht sofort alle wieder ausbezahlt werden musste, berief man einen eigenen Beamten zur Veranlagung des Geldes. Somit übernahmen reiche Kommunen auch eine Art Bankfunktion, indem sie Kredite (meist an andere Gemeinden oder Grossgrundbesitzer) zur Verfügung stellten. Einen ganz anderen Weg gingen manche Städte, die vor allem mittels Zöllen auf Transitrouten ihre Einnahmen bestritten. Der wichtige Handelsort Palmyra verpachtete die Handelszölle an Private. Diese mussten sich allerdings an die städtische Zollordnung mit ihren festgelegten Sätzen halten. Es lag also an den privaten Zöllnern genügend verzollbare Waren bei den Händlern zu finden, um Gewinn zu erwirtschaften.

Gab es mit Städten Probleme - egal ob fiskalischer oder politischer Natur - so ist seit Tiberius bezeugt, dass der Kaiser die Einnahmen aus Zöllen und Verpachtungen für sich beanspruchen konnte. Leider konnten die Hintergründe für solche Vorgehensweisen bislang nicht eruiert werden. Aufgrund des römischen Rechtsverständnis wird es in den meisten Fällen eine entsprechende Gegenleistung gegeben haben (Schuldentilgung, Kostenübernahme des Staates, etc.).

Für Severus Alexander und Iulianus ist aber auch der umgekehrte Weg dokumentiert, sodass diese ihre Einkünfte zurückerhalten konnten. Kaiser Constantius II. gab 358 n.Chr. den africanischen Kommunen ein Viertel dieser Einkünfte zurück, damit sie dringendst notwendige Sanierungen an Bauwerken, Stadtmauern und Strassen vornehmen konnten. Valentinianus III. erhöhte diesen Betrag auf ein Drittel.

In der Spätantike begann der Fiskus mehr und mehr nach öffentlichem Grund und Boden zu greifen, der im Zuge von Staatsverbrechen eingezogen wurde, aber auch wieder hergegeben werden konnte. Die seit Diocletianus eingezogenen Güter christlicher Eigentümer wurden von Constantinus restituiert und mit zahlreichen Privilegien versehen. Um das daraus resultierende Finanzloch zu stopfen, wurden 331 v.Chr. die meisten heidnischen Tempel von Staats wegen geschlossen und die zu ihrer Finanzierung dienenden Besitztümer konfisziert und teilweise neu verteilt. Kaiser Iulianus machte diese Schenkungen während seiner Regierungszeit wieder rückgängig, doch nach seinem Tod wurde der konstantinische Zustand durch Valentinianus I. und Valens wieder hergestellt. Sie erklärten heidnisches Tempelvermögen zu christlichem Privateigentum. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass trotz zunächst latenter und später immer weiter ausartender Heidenverfolgung einige Heiligtümer ihren Grundbesitz halten konnten. Noch die Kaiser Gratianus und Honorius forderten die schonungslose Kassierung von Grundstücken, die Heiden gehörten.

Die so an den Staat gefallenen Ländereien erwirtschafteten dringend benötigte Einnahmen. 371/372 n.Chr. musste Kaiser Valens einen Teil dieser Einkünfte an die Städte refundieren, damit sie ihre Verteidigungsanlagen instandsetzen konnten. Die damit verbundene Bürokratie erwies sich des öfteren als ineffizient, dass begonnen wurde Land teilweise wieder an die Kommunen zurückzugeben.

Aureus des Lucius Verus


Quellen: F.M.Ausbüttel "Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches", H.Kloft "Die Wirtschaft des Imperium Romanum", DeMartino "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Griechen" & "Die Römer", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)