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WIRTSCHAFT
Das römische Steuersystem


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Der Steuerdruck im alten Rom

Den Steuerdruck im Römischen Imperium konkret berechnen zu wollen, ist ein unmögliches Unterfangen. Zum einen fehlen konkrete Angaben - vor allem zur Wirtschaftsleistung - zum anderen sind latente regionale und zeitliche Unterschiede sowie das Empfinden der Bevölkerung in den verschiedenen Gebieten und Epochen zu berücksichtigen. Im verwaltungsdichten Osten war zwar der Steuerdruck enormer als in den jungen Westprovinzen Roms, doch das Empfinden verhielt sich meist genau umgekehrt.

Die zahllosen Klagen über die Tätigkeit von Steuerpächtern und sich bereichernden Statthaltern der vor allem spätrepublikanischen Epoche legen nahe, dass in dieser Zeit der Steuerdruck durchwegs hoch ausfiel. Da die Statthalter meist nur kurz im Amt waren und auch über keine kontrollierenden Kollegen verfügten, war es für sie einfach Geld in die eigene Tasche wirtschaften zu lassen um dieses dann wiederum für den politischen Aufstieg zu verwenden.

Welche Ausplünderungsmöglichkeiten es gab, ist anhand einer Episode Caesars überliefert. 61 v.Chr. hatte er die Statthalterschaft Spaniens inne und konnte danach seine privaten Schulden von 25 Millionen Denaren problemlos tilgen. Dabei dankten ihm die Provinzialen noch für seine „schonende“ Steuerpolitik. Dazu ist noch anzumerken, dass Caesar auch auf aussersteuerliche Methoden der Geldbeschaffung zurückgriff; wie etwa die exzessive Ausbeutung von Edelmetallvorkommen. Ganz anders die Meinung über den syrischen Statthalter Quintilius Varus, der arm eine reiche Provinz betreten und reich eine arme Provinz verlassen haben soll. Leider gibt es kaum weitere Zahlen zu diesen Machenschaften. Die Höhe der 10-%igen Grundsteuer alleine auf Getreideland in Sizilien lag 74 v.Chr. unter dem korrupten Proprätor Verres bei 3 Millionen Scheffel Getreide (ca. 262.000 hl). Dazu kamen noch die Abgaben an Hülsenfrüchten, Ölbaumkulturen und Rieden.

84 v.Chr. war die steuerliche Belastung der Provinz Asia so gross gewesen, dass einige Tempelschätze hatten verkauft werden müssen. Dennoch war damit die Leistungsfähigkeit der Provinz noch nicht erreicht. Im Bürgerkrieg konnten die Triumvirn weiter sagenhafte Beschlagnahmen realisieren, was erst jetzt zu wirklichen Steuerrückständen führte. Mit der Etablierung eines geordneten Finanz- und Steuerwesens samt einem Nachlass unter Augustus erholte sich die Provinz rasch von diesen Plünderungsaktionen.

Welche Macht die Pachtgesellschaften ausübten ist aus diversen politischen Entscheidungen dieser Zeit ablesbar. Als man 167 v.Chr. Makedonien in das Provinzsystem eingliederte und die Tätigkeit der publicani einschränkte, musste der Staat auf die Einnahmen aus den Steuern der Bergwerke und der Verpachtung der Landgüter verzichten. Es gab schlichtweg kein qualifiziertes Personal hierfür. In seiner ersten Rede zur Übertragung des Oberbefehls im Osten an Pompeius zur Kriegführung gegen Mithridates, erklärte Cicero offen, dass der Grund schlichtweg im Schutz der römischen Pachtgesellschaften läge.

Mit der Etablierung des Kaiserreichs unter Augustus nahm die steuerliche Belastung reichsweit im allgemeinen ab, was aber nicht so sehr durch die Abschaffung oder Reduzierung von Steuern, sondern durch eine gerechtere Veranlagung und natürlich die in Friedenszeiten prosperierende Wirtschaft verursacht wurde. Tiberius stellte erstmals Prinzipien für eine gerechte Steuererhebung auf. Erst Kaiser Vespasianus zog die Steuerschraube deutlich an (bei den Provinzialtributen manchmal um das Doppelte!), nachdem sein Vorgänger Nero zahlreiche Befreiungen erteilt hatte.

Für die Spätantike ergibt sich ein differenzierteres Bild. Die Primärbelastung scheint sich nicht wirklich erhöht zu haben. Was allerdings hinzukam war eine wesentliche Verdichtung der Buchführung und Schätzungen. Machte man in der Hohen Kaiserzeit einmal im Jahr Bekanntschaft mit der Steuerbehörde, so kam man nun mehrmals vorbei und erfasste die ökonomische Situation detailliert. Vor allem aus diesem Grund heraus wurde die Verwaltung als Last empfunden. Eine tatsächliche Belastung dürften die superindicitiones (ausserordentliche Steuern) gewesen zu sein, die vor allem in der Krisenzeit des 3.Jh.n.Chr. erhoben wurden. Ihre Anordnung führte der Kaiser durch, manchmal auch die Prätorianerpräfekten. Diese einmaligen Sondersteuern konnten entweder auf alle Bevölkerungsteile oder aber nur auf die reichen Bürger abgewälzt werden. Sie standen meist in Zusammenhang mit Kriegen. In Geld wurden sie für besondere Tributleistungen (etwa nach Friedensschlüssen) an Feinde und in Nahrungsmitteln bei Hungerkrisen in den Städten erhoben. Durch die zahlreichen Barbareneinfälle an der Nordwestgrenze war das Westreich wesentlich mehr von der Erhebung von Sondersteuern betroffen als in der Osthälfte.

Ein nicht zu unterschätzender Faktor im römischen Steuerwesen war die Möglichkeit des Kaisers Nachlässe und Befreiungen zu erteilen. Bei Herrschaftsantritt und Regierungsjubiläen waren die Kaiser durchaus geneigt Steuersenkungen zu gewähren und damit ihrer propagierten Liberalitas nachzukommen. Tiberius halbierte die einprozentige Umsatzsteuer (nachdem er sie zuvor erhöht hatte), Caligula schaffte sie für Italien ab. Galba senkte die Abgabenlast von Gallien um ein Viertel und Traianus optimierte die Verwaltungslast bei der Erbschaftssteuer durch Reduktion der Zahl an anzeigepflichtigen Testamenten.

Immer wieder versuchten auch einzelne Städte, Regionen und ganze Provinzen ihre Steuerlast zu senken, indem sie Gesandtschaften nach Rom entsandten und um Reduktion oder Befreiung ansuchten. Dies wurde ausschliesslich im nachhinein für besondere Lasten wie Naturkatastrophen, Missernten, Kriege oder niedergeschlagene Aufstände gewährt. Nach einem Erdbeben in Kleinasien setzte Kaiser Tiberius die Zahlungsverpflichtung von zwölf Städten (darunter Sardes) für fünf Jahre aus. Desgleichen handelte Nero nach einem Beben im phrygischen Apamea. Auch Byzantium erhielt diese Befreiung nach den Verheerungen im Krieg mit den Thrakern am Bosporus.

Um die Finanzverwaltung zu optimieren, durchforstete man auch die Archive. Dabei konnte es durchaus vorkommen, dass Regionen daraufhin weniger Steuern zu bezahlen hatten. Nach dem Report der Finanzaufsicht und der Vorlage zahlreicher alter Urkunden befreite etwa Kaiser Honorius die Provinz Campania von 528.042 iugera (= 1330,665 km²) Land von der Steuerpflicht. Diese Fläche war beträchtlich und wird auf ein Zehntel des steuerbaren Grund und Bodens geschätzt. Nach der Verwüstung des Gebietes um Rom durch die Goten ordnete er 413 n.Chr. eine Reduktion der Abgaben für fünf Jahre um 80 % in den betroffenen Gebieten an. Der ökonomische Niedergang durch Bevölkerungsschwund und Verwüstungen in Italien veranlasste Honorius 418 n.Chr. erneut zu einer Verminderung der Zahlungen. Die Campania musste nur mehr ein Neuntel, Picenum und Tuscia je ein Siebtel ihre alten Leistungen aufbringen. Und da die Provinzen auch in den kommenden Jahren offenbar nicht in der Lage waren die geforderten Summen zu bezahlen, erliess Kaiser Valentinianus III. ihnen die angehäuften Steuerschulden. Den Flüchtlingen aus Africa, die sich vor den Raubzügen der Vandalen nach Italien gerettet hatten, wurden 443 n.Chr. die Steuern bis zu jenem Zeitpunkt erlassen, als sie wieder die Bewirtschaftung in der Heimat aufnehmen konnten. Anastasius I. befreite schliesslich alle von Plünderungen betroffenen Gebiete für drei Jahre von Steuerzahlungen und jene in denen kriegerische Handlungen mit Feinden stattgefunden hatten für sieben Jahre.

Die zahlreichen notwendigen Befreiungen sorgten in der Spätantike natürlich dafür, dass die Einnahmen ständig sanken, wohingegen die Ausgaben konstant hoch blieben. Anstatt Sondersteuern zu erheben - wie in der Krisenzeit des 3.Jh.n.Chr. - gab man nun eher befristete Steuerbefreiungen. Dies führte gepaart mit einer Stabilisierung des Reiches ab dem 4.Jh.n.Chr. zu einer merkbaren Verminderung der steuerlichen Belastung.

Zu einem latent immer grösser werdenden Problem wurden die individuellen Steuerbefreiungen bzw. -reduktionen der Kaiser für gewisse Personengruppen. Dazu zählten im Laufe der Zeit Ärzte, Lehrer und Rhetoren. Im Gallien der Spätantike waren Waisen, Witwen und Nonnen von der Kopfsteuer befreit. Das immer grösser werdende Heer verringerte dann in der Spätantike nicht nur die Zahl der Steuerpflichtigen, sondern vergrösserte parallel die Zahl der von massgeblichen Steuern teilbefreiten Bürger. Desgleichen galt für die germanischen Söldner.

Kaiser Konstantin befreite dann auch noch alle Kleriker von allen Abgaben, wohingegen alle heidnischen Bürger in der Ausübung ihrer ökonomischen Tätigkeit mehr und mehr belastet wurden. Die Kassierung alles heidnischen Tempelbesitzes und ihre Vergabe an Christen machte zumindest einen Teil der entgangenen Einnahmen wieder wett. Auch der Einzug heidnischen Privatbesitzes während der Theodosianischen Heidenverfolgung war für den Staat im wesentlichen aufkommensneutral.

Das römische Steuersystem mit seiner latenten Einflussmöglichkeit der städtischen Beamten führte über die Jahrhunderte dazu, dass diese vermehrt Macht anhäuften und dies gegenüber der einfachen Bevölkerung auch weidlich ausnutzten. Dieses Abhängigkeitsverhältnis ergänzte in der Spätantike das den mittelalterlichen Feudalstaat vorbereitende Kolonensystem. Um diesem Umstand entgegenzuwirken wurde Anfang des 4.Jh.n.Chr. das Amt des defensor civitatis (plebis) (Verteidiger des Volkes; Volksanwalt) geschaffen. Er sollte die Bevölkerung vor den Übergriffen der Dekurionen schützen. Mit der Hinzufügung weiterer Aufgaben und angesichts mangelnder Durchsetzungsmöglichkeiten mussten sich die defensores mit den Stadträten arrangieren, sodass Bestechungen Tür und Tor geöffnet wurde und im 5.Jh.n.Chr. das Amt bedeutungslos geworden war. Mit der zunehmenden Macht des Christentums nehmen vor allem Bischöfe ihr Amt wahr, um die Bevölkerung vor Ausbeutung zu schützen.

Zahlungsunwilligkeit zeigte sich interessanterweise bei den Dekurionen, die ja auch mit den Statthaltern verhandelte und entsprechenden Spielraum besass. So konnten sich im Laufe der Jahre enorme Steuerrückstände anhäufen. Da etwa Kaiser Traianus sich vor allem mit seiner Kriegsführung beschäftigte, liess er die Finanzverwaltung schleifen, sodass sich am Ende seiner Regierung satte 900 Millionen an reichsweiten Steuerschulden angehäuft hatten. Dekurionen und Statthalter hatten dies geschickt auszunutzen gewusst. Desgleichen passierte während der Bürgerkriege, was u.a. zum Census und den Landvermessungen unter Augustus führte.

Auch das Problem der Steuerflucht wurde nie ganz in den Griff bekommen. Die geringe Bevölkerungsdichte in vielen Gegenden des Imperiums erleichterte es Individuen, aber auch mancher Sippschaft durch eine Art sesshaftes Vagabundentum sich der Steuerzahlungen zu entziehen. Man musste nur rechtzeitig vor dem Census fliehen und sich gegebenenfalls ein Stück Wald im Nirgendwo roden. Am Basisproblem, der gleichbleibenden Steuerbelastung unabhängig vom Ernteertrag oder einer Grünbrache, wurde über die Jahrhunderte hinweg nicht gerüttelt.

Aureus des Lucius Verus


Quellen: F.M.Ausbüttel "Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches", H.Kloft "Die Wirtschaft des Imperium Romanum", DeMartino "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Griechen" & "Die Römer", "Der kleine Pauly"

 

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