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Die Richtungen der medizinischen Lehrmeinung

Dogmatiker
grch. dogmatikoi oder logikoi; lat. rationales

Zwar als „Ärzteschule“ im Sinne einer medizinischen Lehrrichtung zusammengefasst, besassen die Dogmatiker keine eigentlich verbindlichen Lehrinhalte. Man zählte zahlreiche bekannte Ärzte zu ihnen, etwa Hippokrates von Kos, Diokles von Karystos, Herophilos bis hin zu Erasistratos. Durch diese Vielfalt existierten zahllose unterschiedliche Ansichten über Körperfunktionen, Heilmethoden und Krankheiten. Das gemeinsame Konzept lag so nicht in ihren praktischen Anwendungen, sondern in dem Versuch begründet, die Medizin in theoretisch-spekulativer Weise weiterzuentwickeln.

Ziel war im Sinne einer medicina rationalis (lat. „wissenschaftlich begründbare Medizin“) die Ursachen-, Wirkungs- und Zusammenhangsforschung im medizinischen Kontext. Bereits im 3.Jh.v.Chr. standen die Dogmatiker in Konkurrenz zu den Empirikern. Zunächst noch auf alle Mediziner angewendet, die nicht einer anderen Schule angehörten, etablierte sich spätestens nach der Zeitenwende der Begriff Dogmatiker im erwähnten enger gefassten Sinne. Aus antiker Sicht würde man den Grossteil der modernen Medizin zu dieser Schule rechnen.

Empiriker
grch. empeirikoi

Die Gründung der medizinischen Lehrrichtung der Empiriker ist nicht mehr ganz nachvollziehbar. Als Urheber werden in diversen Schriften Philinos von Kos - ein Schüler des Herophilos -, Akron aus Agrigent, Timon aus Phleius sowie Serapion aus Alexandria genannt. Allen gemein ist der zeitliche Horizont des 3./4.Jh.v.Chr.

Basis der „Ärzteschule“ bildete der Begriff grch. empeiria (lat. experimentum; „Erfahrung“), auf dem sie - im Gegensatz zu der damalig theorielastigen Ansicht in Alexandria - ihr ärztliche Kunst aufbauten. Zusammengefasst in der Regel des tripous (grch. „empirischer Dreifuss“) bauten die Empiriker ihr Wissen nach drei Gesichtspunkten auf:
1. Sammeln von pathologischen Informationen durch Autopsie
2. Erfahrungsberichte durch zu Papier gebrachte Krankheitssymptome und
3. die Therapieübertragung auf Basis des Ähnlichen

Gerne stützten sich die Empiriker auf die historischen Schriften, was dazu führte Hippokrates quasi als ihren Ahnherrn anzuerkennen. Dogmatische Ansichten waren ihnen anfangs fremd, wohingegen sie Ende des 1.Jh.v.Chr. zumindest einige davon akzeptierten, falls sie sich durch empirische Erfahrungen belegen liessen. Das einst wohl reiche Schrifttum ist bis auf jenes von Apollonios von Kition leider nur fragmentarisch überliefert.

Herophileer
grch. Herophileioi

Die Herophileer führen ihre „Ärzteschule“ auf die Lehrmeinungen des Herophilos (um. 330 bis 250 v.Chr.) zurück. Anders als die Anhänger der Empiriker, entwickelten sie keine eigene Einheitslehre, sondern versuchten klinische und theoretische Aspekte der Medizin unter einen Hut zu bringen. Sieht man von wenigen Ausnahmen, wie etwa Hegetor, ab, so war die Ablehnung der Anatomie und die Vernachlässigung der Physiologie (übrigens ganz im Gegensatz zu Herophilos!) eines ihrer wesentlichen Merkmale.

Bekannte Herophileer waren Bakcheios von Tanagra, Andreas von Karystos, Kallimachos, Apollonius May sowie Aristoxenos. Durch die Inhomogenität der Lehren wurden von den Ärzten unterschiedliche Aspekte betont. Vielen gemeinsam war die Weiterentwicklung der Pulslehre und der Arzneimittelkunde. Nach dem Tod des Herophilos beschäftigten sich einige seiner Schüler kritisch mit den Texten des Hippokrates. Im 1.Jh.n.Chr. löste sich die Schule der Herophileer angesichts manch gravierender Mängel auf.

Methodiker oder Thessaliker
grch. methodikoi oder Thessaleioi

Die Methodiker leiteten ihren Namen vom Begriff methodos (grch. „Methode“) ab, der aus der skeptischen Philosophie stammte und die auch die philosophische Grundlage für ihr Wirken bildete. Sie leiteten ihre Lehrmeinung von Themison von Laodikeia, einem Schüler entweder des Thessalos von Tralles oder Asklepiades von Bithynien, her. Massgeblich vom Atomismus des Letzteren beeinflusst vertraten sie die Lehre von den drei status (lat. „Zuständen“), wobei sie den Körper stets als eine Einheit ansahen. Aus diesem Ansatz heraus benötigte der Arzt keine theoretischen anatomischen Kenntnisse (vgl. dazu die Herophileer).

Je nach den Zuständen strictus, medicus/mixtus sowie laxus/fluens (d.i. angespannt, in der Mitte liegend & gelöst) existierten für die Methodiker drei Basiskrankheiten, die - ihrer Meinung nach - mit einigen wenigen Arzneien zu behandeln wären. Man musste nur den Zustand erkennen und das jeweils Gegensätzliche verordnen. Diese sehr einfache Sichtweise führte zu relativ schonenden Heilmethoden und aus diesem Grund fanden die Methodiker rasch Anhänger in der frühen Kaiserzeit.

Galen kritisierte die von ihnen vertretene Meinung, binnen eines halben Jahres jede Person - auch ungebildete Sklaven - zum Mediziner ausbilden zu können - er selbst hatte immerhin gut zwölf Jahre dafür gebraucht. Trotz vieler Anfeindungen brachten die Methodiker einige hervorragende Ärzte hervor, z.B. Soranos von Ephesos. Ein nachhaltiges Wirken über die Hochantike hinaus blieb dieser Ärzteschule jedoch infolge einer zu einfachen - Gegner nannten sie propagandistisch einfach - Sichtweise versagt.

Pneumatiker oder "Die Anhänger des Athenaios von Attaleia"
grch. pneumatikoi oder hoi ap’ Athenaiou tou Attaleos

Die Pneumatiker bildeten seit dem 1.Jh.n.Chr. eine bedeutende Richtung in der medizinischen Ausbildung und behielten ihren Einfluss bis weit in die Spätantike hinein. Im 2.Jh.n.Chr. wurde von einem anonymen Autor (der sich jedoch des berühmten Namen Galens bediente) die Definitiones medicae (lat. „Grundsätzliches zur Medizin“) verfasst, deren allgemeinen theoretischen Ansätze massgeblich durch die pneumatische Schule beeinflusst sind.

An philosophischer Basis dürften die Pneumatiker die stoischen Lehren bevorzugt haben; allen voran jene des Poseidonios von Apameia. Galen nennt dann mit Athenaios von Attaleia als Gründer und Wegbereiter auch einen Anhänger dieser Stoa, wenn auch die Ärzteschule über die Zeit hinweg eher unspektakuläre und vor allem unkreative (d.i. reines Zusammenstellen bestehenden Wissens) Züge trägt. In einigen Bereichen deckten sich die Ansichten mit jenen der Dogmatiker. Die bekanntesten Vertreter waren Archigenes von Apameia zur Zeit Kaiser Trajans und Aretaios von Kappadokien Mitte des 2.Jh.n.Chr.

Im Mittelpunkt der von ihnen vertretenen Theorien stand das pneuma (d.i. der physisch gedachte, alle Lebensvorgänge bestimmende Lebenshauch). Diese soll vom Herzen ausgehend vermittels der Arterien durch den Puls in alle Teile des Körpers getragen werden. Krankheiten liessen sich so sehr einfach erklären: War das Verhältnis zwischen den einzelnen Elementen im Körper gestört, so konnte das Pneuma nicht mehr richtig fliessen und es kam zu Erkrankungen.

diverse kleinere medizinische Instrumente


Quellen: K-H.Leven "Antike Medizin", "Der kleine Pauly"

 

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(PL)