KULTUR |
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NAHER OSTEN |
Seuchen im Nahen Osten Mesopotamien Die Vorstellung, dass Seuchen den einzelnen Menschen wie Pfeile treffen, war im alten Orient weit verbreitet; dementsprechend der Köcher mit den "Pestpfeilen" eine der schrecklichsten Waffen im Arsenal der Götter. Nicht umsonst wurde Pestgöttern Pfeil, Bogen und Köcher als Attribute zugedacht. Hervorzuheben sind hierbei der babylonische Gott Nergal, im vorderen Orient bis Zypern Reschef, bei den Hethitern Jarra und in Ägypten Sekhmet. Nergal erschien bereits um 1800 v.Chr. im Gilgameschepos als Seuchenverantwortlicher. Ein besonderer Charakterzug war die Unberechenbarkeit. Erst unter den Assyrern rückte er als Seuchengott in den Hintergrund, da deren Könige seine Funktion als Kriegsgott in den Vordergrund stellten. Die frühen Hochkulturen waren infolge ihrer Bevölkerungsakkumulation die ersten menschlichen Gemeinwesen, die sich mit grossen Epidemien herumschlagen mussten. Man hatte von nun an ständig mit dieser Gefahr leben und entwickelte zahlreiche Rituale und auch frühe medizinische Massnahmen dagegen, um Ansteckungen zu vermeiden. Schon im 18.Jh.v.Chr. wurden in der Stadt Mari am Euphrat Aussätzige separiert und der Umgang mit ihnen erschwert. Dennoch blieben Seuchen eine reine Götterangelegenheit, der man mit Glaubensmassnahmen begegnete. So wurde versucht durch Gebete und Rituale, die Krankheit auf Tiere abzulenken, oder durch einen magischen Pestpfeil sie symbolisch dem Feind zu übertragen. Bei den Hethitern war der König als oberster Priester für solche Zeremonien zuständig und dementsprechend fühlte er sich auch für ein Ausbrechen von Krankheiten verantwortlich. Hethiter 14.Jh.v.Chr. Als der Sohn des hethitischen Königs Schuppiluliumas in Ägypten von Gegnern einer dynastischen Verbindung beider Reiche ermordet wurde, zogen die Hethiter sofort zu Felde. Nach ersten Erfolgen befiel das Heer in Südpalästina jedoch eine verheerende Seuche, die vermutlich von ägyptischen Kriegsgefangenen übertragen wurde. Da unter den gegebenen Umständen an eine Weiterführung des Krieges nicht zu denken war, zogen sich die Hethiter wieder zurück und damit wurde die Krankheit nach Kleinasien eingeschleppt. Ihr sollten selbst der König, sein anderer Sohn und auch der Nachfolger Arnuwanda II. zum Opfer fallen. Die Seuche zog indes immer weitere Kreise und erreichte Mesopotamien. Selbst auf Zypern klagte man über den Menschenhunger von Nergal und die Kupfergewinnung kam durch einen Mangel an Arbeitskräften teilweise zum Erliegen. Vermutlich hat sie sich zunächst nur entlang der Handelsrouten verbreitet, ehe sie in den Heeren in Palästina explosionsartig auftrat. Es wurde nicht überliefert, wie lange die Epidemie tatsächlich wütete, doch einem Brief von Murschili II. ist zu entnehmen, dass sie schon 20 Jahre lang andauerte. Eine Retrodiagnose ist mangels Material nicht möglich. Die politischen Auswirkungen der Seuche waren nicht zu unterschätzen. Das Hethiterreich verlor auf Jahrzehnte seine Vormachtstellung und auch die Ägypter waren kaum in der Lage die Situation für sich auszunutzen. 1259 v.Chr. einigte man sich auf ein Grenzabkommen, das den Ägyptern die Hoheit über den Libanon garantierte. Ägypten 13.Jh.v.Chr. Ende des 13.Jh.v.Chr. dürfte sich in Ägypten ebenfalls eine grosse Epidemie ereignet haben, die sich durch die Flucht von Zwangsarbeitern auch ausserhalb des Landes am Nil verbreitet haben dürfte. Im Buch Exodus des Alten Testaments wird darüber berichtet. Hebräisch hiess die Seuche schechin (Geschwüre und Pusteln). Als plausibelste Deutung dieser Seuche werden eine Form der Pocken genannt, obwohl die Diagnose mehr als unsicher bleibt. Assyrien 765 v.Chr. Im Herrschaftsgebiet der Assyrer brach 765 v.Chr. ebenfalls eine verheerende mutanu (Seuche) aus, die Assyrien auf Jahre hinaus lähmen sollte. Eine Revolte in der Region von Guzana konnte aus Soldatenmangel 759 v.Chr. nicht niedergeschlagen werden. Erst im Jahr darauf operierte die Armee in diesem Gebiet und befriedete es. Zwischen 780 und 745 v.Chr. gab es keine nennenswerten militärischen Aktionen und auch keine Aufstände. Es ist anzunehmen, dass die Seuche hierfür den Grund lieferte. Palästina Auch in anderen Büchern des Alten Testaments werden Seuchen erwähnt, die in Palästina auftraten. Wenn es eine Beschreibung gab, so sind sie jenen der in Ägypten im 13.Jh.v.Chr. erwähnten Seuche ähnlich; etwa jene Krankheit die um 700 v.Chr. den israelitischen König Hiskia heimsuchte. Allen gemein ist die Darstellung als Strafe Gottes. So wurden die Philister noch vor König Saul nach dem Raub der Bundeslade von einer "Pestseuche" heimgesucht. Aber auch die Israeliten blieben von der "Pest" nicht verschont. König David liess eine Volkszählung durchführen und wurde dafür angeblich von Jahwe mit einer Seuche in seinem Herrschaftsgebiet bestraft. 701 v.Chr. belagerten die Assyrer unter König Sanherib die Stadt Jerusalem und kurz vor dem entscheidenden Sturmangriff, zogen sie sich überstürzt zurück. Die Israeliten glaubten an den Eingriff Gottes, wohingegen bereits der Schriftsteller Flavius Iosephus eine Epidemie vermutete, denn Herodot hatte über eine Unzahl von Mäusen berichtet, die die Waffen der Assyrer vernichtet haben sollten. In der frühen antiken Literatur galten Mäuse (natürlich auch stellvertretend für Ratten) als Synonyme für Seuchen. Da Sanherib den fehlgeschlagenen Feldzug nach Palästina verschweigt, ist wohl von einem seuchenbedingten Rückzug auszugehen. Neben diesen rasch epidemisch werdenden Infektionskrankheiten, wurden im Alten Testament vor allem Lepra und Hautkrankheiten erwähnt, die sich durch Körperkontakt verbreiten konnten. Dazu gesellten sich noch Pilzerkrankungen und die Krätze, die zwar nicht ansteckend sind, jedoch unbehandelt zu einer chronischen Erkrankung werden, die in unregelmässigen Schüben immer wieder auftritt (und somit für den Betroffenen Seuchencharakter zeigt). Für die heissen Gegenden in Palästina und Arabien wurde auch eine Form der Syphilis identifiziert, die sich vor allem durch mangelnde über den gemeinsamen Gebrauch von Gefässen (Becher, Teller, etc.) verbreitete (sog. nicht-venerische Syphilis). Lepra wurde vermutlich im 2. Jahrtausend v.Chr. über Ägypten aus Schwarzafrika eingeschleppt. Sie scheint anfangs jedoch eine eher seltene Krankheit geblieben zu sein. Wohl hatte man sie bei König Asarja von Juda (769 bis 741 v.Chr.) diagnostiziert, da er bis zu seinem Tod von der Aussenwelt abgesondert wurde. Die erste Darstellung eines Leprakranken erfolgte um 1300 v.Chr. in Ägypten, wo die Gottheit Bes mit einem feontina facies (Löwengesicht; d.h. mit krankheitsbedingter Entstellung) erscheint. |
Mangelnde Getreidequalität bot in der
Antike ein grosses Potenzial für Massenerkrankungen |
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Quellen: K-H.Leven "Antike Medizin", M.Meier "Pest", "Der kleine Pauly" |
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