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Aquae (Baden bei Wien)

Erste Blüte der Siedlung (ca. 50 bis 170 n.Chr.)

Nach der Zusammenballung der dörflichen, keltisch-illyrischen Urbevölkerung in Aquae und der Errichtung einer ersten Therme, bekam der Ort schon bald erneut Zuwachs. Im markomannischen Bürgerkrieg Anfang der 50er Jahre des 1.Jh.n.Chr. musste König Vannius mit seinen Anhängern auf römisches Reichsgebiet fliehen. Die Menschen siedelten sich überall rund um Wien bis hin zum Leithagebirge an; sodass auch Baden einen erklecklichen Anteil germanischstämmiger Bevölkerung zugeteilt bekommen haben wird.

Bis zum Ende des Jahrhunderts konnte sich die Siedlung völlig frei entfalten. Seit Trajan und Hadrian wurde der Limes verstärkt, sodass es auch in Aquae zu reger Bautätigkeit kam, wie zwei trajanische Münzfunde in römischem Fundament beweisen. Das ebenfalls vermehrt in Erscheinung tretende Luxusgeschirr beweist, dass sich Aquae in nur drei Generationen zu einem blühenden Kurort entwickelt hatte.

Die Nähe zur Grenze sollte dieser ersten Blüte jedoch schrittweise ein Ende setzen. Seit 144 n.Chr. unternahmen die Quaden ab und zu Raubzüge durch Pannonien. Inwieweit Aquae davon betroffen war, ist unbekannt. Seit 167 haderte die Provinz mit den Markomannen, die erst durch Marcus Aurelius wieder über die Grenze geworfen werden konnten. Auch der Kurort wurde in diesen Kriegen in Mitleidenschaft gezogen.

Zweite Blüte der Siedlung (ca. 170 bis 250 n.Chr.)

Nach dem Friedensschluss unter Commodus begann man rasch mit dem Wiederaufbau von Aquae. Die legio X Gemina und die legio XIV Gemina bauten die Thermen in Ziegelbauweise auf und vergrösserten sie deutlich. Die verstärkte Militärpräsenz an der Donaugrenze hat sich somit auch in einem vergrösserten "Kurbedürfnis" geäussert. Da die Bäder ausschliesslich mittels Holz befeuert wurden, schlägerte man in der Umgebung alles kahl was man unter die Finger bekam. Vor allem der Kalvarienberg zeigte bald Spuren einer Verkarstung, die erst im 20.Jh. durch Wiederaufforstung beseitigt wurde.

Die Solderhöhungen unter den Severischen Kaisern führten zu einer erneuten wirtschaftlichen Blüte der Gegend. Die Bevölkerung ergänzte sich nunmehr durch immer mehr Orientalen, die im Zuge der severischen Politik an die Donau kamen. Für zwei Generationen wurde Pannonien zur führenden Wirtschaftsprovinz des Reiches, was sich besonders durch zahlreiche Terra-Sigillata-Funde bezeugen lässt.

202 dürfte Kaiser Septimius Severus auf einer Reise anlässlich seines 10jährigen Regierungsjubiläums durch Aquae gekommen sein. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass er hier sogar übernachtete und die militärische Kuranstalt besuchte.

Aquae an der Wende zur Spätantike (ca. 250 bis 290 n.Chr.)

Erneut machte sich die Labilität der Donaugrenze bemerkbar. In den Jahren zwischen 212 und 235 überschritten mehrmals germanische Völkerschaften den Grenzfluss und plünderten auf dem Reichsgebiet in der Umgebung von Vindobona. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Aquae davon betroffen war.

Das Leben ging indes seinen gewohnten Gang und die Menschen nahmen die Einfälle Naturkatastrophen gleich hin. Doch dann überschritten die Markomannen in den ausgehenden 250er Jahren Pannonien und verheerten es. Berichte aus Aquae in jener Zeit sind nicht überliefert, doch ein Münzfund in Berndorf um das Jahr 259 mit 242 Silbermünzen zeigt, dass die Markomannen den römischen Strassen penibel gefolgt waren. Eine Bannung der Gefahr für den Raum Baden konnte erst nach ein bis zwei Jahrzehnten erreicht werden.

Kaiser Probus war sich der wirtschaftlichen Bedeutung von Pannonien bewusst und förderte die Wiederinstandsetzung wo es nur ging. Unter anderem hob er das Weinanbauverbot für Edelsorten des Kaisers Domitian auf und liess die Rebflächen mittels Militäreinsatz vergrössern. Parallel wurden Wälder für die Landwirtschaft gerodet und Sümpfe trockengelegt.

Das spätantike Aquae (ca. 290 bis 455 n.Chr.)

Die diocletianischen Reformen gingen auch an Aquae nicht spurlos vorüber. Die Siedlung gehörte nun zur Provinz Pannonia Prima mit der Hauptstadt Savaria (Steinamanger resp. Szombathely) und zur Diözese Illyricum. Die Bevölkerungszusammensetzung erfuhr in jener Zeit eine erneute Veränderung. Die vermehrt angesiedelten Markomannen brachten ihre eigenen Traditionen mit und lockerten so die Basis der keltisch-römischen Bevölkerung auf.

Wirtschaftlich hatte sich die Provinz trotz des Steuerdrucks und der hohen Inflation einigermassen gehalten. Die starken Garnisonen in der Umgebung von Aquae sorgten selbst in Rezessionszeiten für genügend "Umsatz". Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 4.Jh.n.Chr. Die Kaufkraft sank und in den Siedlungen standen immer mehr Gebäude leer. Aquae schien sich jedoch gegen die Rezession durch seinen Kurbetrieb einigermassen gut behauptet zu haben, was durch entsprechende Keramikfunde im Zusammenhang mit der Bäderanlage gut dokumentiert ist. Die wenigen direkten Münzfunde gehen bis 350; jene in der Umgebung reichen durchgehend bis in das 5.Jh.n.Chr.

375 wurde der Badener Raum durch Goten und Alanen verwüstet, die sich bei ihren Raubzügen an die Römerstrassen hielten. Die Ansiedelung von Alanen, Goten und Hunnen in Pannonien blieb organisatorisch für Aquae ohne Bedeutung; der Ort lag zu weit westlich von den Hauptansiedlungsgebieten. Dennoch drückte die Weltuntergangsstimmung jener Tage auf Gemüt und Geldtasche der Menschen. Immer mehr sozial Entwurzelte flüchteten in die Wälder und schlossen sich den Scamarae (lokale Räuberbanden) an.

395 fielen erneut die Markomannen in das Wiener Becken ein. Zwei Jahre später wurde der Stamm als autonomer Föderat diesseits der Donau angesiedelt. Die Markomannen, nun unter ihrem übergeordneten Stammesnamen Sueben, erkannten die Vorteile der römischen Kultur und passten sich nun entsprechend an, was der Badener Gegend für 150 Jahre einigermassen Ruhe einbrachte. Geschickt lenkten sie weitere Einfälle germanischer Völker entlang der Strassen, indem sie deren Augenmerk auf andere Reichsgebiete lenkten. Im Frühjahr 401 zogen Alanen, Vandalen und lokale Unzufriedene über die Limesstrasse an den Rhein. 405 überquerten die Goten unter ihrem König Radagais die Donau in  Richtung Italien. Bald darauf arrangierte man sich erfolgreich mit den Hunnen.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten handelte es sich um keine reinen Plünderungen, sondern um mehr oder minder geordnete Durchzüge. Abenteurer und Unzufriedene nutzten jedes Mal die Gelegenheit ihr Glück zu versuchen. Auf der anderen Seite blieben auch Durchzügler in den Orten "hängen". Die allgemeine Unsicherheit veranlasste aber viele Einheimische Kasse zu machen und sich mit ihrem Kapital gen Italien abzusetzen. Interessant ist, dass es bislang keine Belege für eine Umwallung von Aquae gibt, diese jedoch mit Sicherheit vorhanden war. Zudem wird sich die Bevölkerung bei Überfällen in die westlichen Hügeln geflüchtet haben.

Die Lage nach dem Zerfall des Hunnenreiches ab 453 n.Chr.

Nach dem Zerfall des Hunnenreiches 453 begann für Aquae die schrecklichste Zeit seiner Geschichte. Unter der Herrschaft der Goten kam es zu zahlreichen Angriffskriegen und Abwehrkämpfen. Als Odoaker 488 die verbliebene romanische Oberschicht organisiert nach Italien zurückführte, fand er in Aquae noch genügend von ihnen vor. Dennoch blieb eine nennenswerte romanisierte Bevölkerung zurück.

Als die Langobarden im 6.Jh. in das Badener Gebiet vordrangen, stiessen sie auf eine immer noch vorhandene einheimische Bevölkerung, die sich mit allen Mitteln gegen die Eroberung zu wehren wusste. Nur die Ebene im Osten war mittlerweile entvölkert worden. Als die Langobarden 568 wieder abzogen, ging wieder ein Teil der romanisierten Bevölkerung mit ihnen gen Italien. An ihre Stelle traten kriegsmüde Langobarden und Sueben. Viele geografische Namen gehen auf diese Zeit zurück, so der Name des Flusses Schwechat (= die Stinkende).

Das Awarenreich erreichte Aquae nicht mehr direkt; jedoch siedelten in dieser Zeit Slawen in den verlassenen römischen Orten, die immer noch an den hervorragenden alten Römerstrassen lagen. Auch sie hinterliessen ihre Spuren in geografischen Namen, wie der Triesting (= tosender Bach). Nach der Abschüttlung er Awarenoberhoheit gründeten die Slawen in den 620er Jahren ein loses Reich, das im Westen bis Melk (slaw. = Grenze) reichte.

In den folgenden Auseinandersetzungen zwischen Awaren und Slawen ab 660 machten beide Völkerschaften interessanterweise immer wieder einen Bogen um Aquae, was weiterhin auf das Vorhandensein einer wehrhaften einheimischen Bevölkerung schliessen lässt.

Die Vernichtung des Awarenreiches ab 791 durch Karl den Grossen bescherte dem Ort den Durchmarsch fränkischer Truppen bei deren Rückzug aus der pannonischen Ebene. Die ersten Jahre des 9.Jh. waren für die Gegend unruhig und bis sich die bayerische Expansion in das Badener Gebiet ereignete blieb die Gegend mehr oder minder sich selbst überlassen. Die letzten Reste der romanischen Kultur hatten sich in die germanische und slawische Bevölkerung assimiliert.

Rekonstruktion eines Grabsteines mit Venus Vixtrix und Soldaten, Aquae Mitte 3.Jh.n.Chr


Quellen: Katalogblätter des Rolletmuseums Baden
 

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(PL)