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Provinz Raetia

Vorgeschichte

Ab dem 5. Jahrtausend v.Chr. begann in Westeuropa - und damit auch im Alpenvorland - das Neolithikum (Neusteinzeit) und um 3000 v.Chr. siedelten überall Bauern. Die Verbreitung folgte dem Donaustrom aufwärts und die sogenannte Donau- oder Brandkeramikkultur drang über das später raetische Gebiet an den Rhein und nach Frankreich vor. In den folgenden Jahrhunderten begründeten sich mehrere regionale Kulturen, deren Charakteristika Hügel- und Megalithgräber waren.

Mit der Bronzezeit entstanden neue Kulturen, wie die Urnenfelderkultur ab 1300 v.Chr. Während dieser Zeit entstanden die ersten politischen Zentren. Um 750 v.Chr. erreichten Reiternomaden (Kimmerier und Skyten) aus dem inneren Asien das Alpenvorland. Sie brachten möglicherweise das Know-how der Eisenverhüttung mit. Bereits im 5.Jh.v.Chr. sorgte der Einsatz von Eisengeräten in der Landwirtschaft für einen derartigen Aufschwung, dass Personen für andere Tätigkeiten abgezogen werden konnten. Parallel war die eisenzeitliche Hallstatt-Kultur entstanden (kurz nach 1000 v.Chr.), die im raetisch-vindelicischen Gebiet wohl noch Einschläge der Urnenfelderkultur besass.

Um 400 v.Chr. drangen Kelten von ihrem Kerngebiet an der Marne in Frankreich in Süddeutschland ein und übernahmen die Eisenverarbeitung. Mit dem Spezialistentum kam es auch zur vermehrten Verarbeitung von Gold als sakrales Metall. Ab dem 3.Jh. weitete sich seine Bedeutung auf den Handel aus. Es entstanden Gross- und Kleinhandelszentren, Verkehrswege und Rastplätze. In der 2. Hälfte des Jahrhunderts war die keltische Wirtschaft derart entwickelt, dass man mit der Münzprägung begann (zwar von den Griechen gekupfert, aber von guter Qualität). Zu dieser Zeit dienten auch keltische Söldner in fremden Heeren, wie beispielsweise für Karthago.

In Folge entwickelten sich erste Grosssiedlungen, die auch von römischen Schriftstellern erwähnt wurden. Im raetisch-vindelicischen Gebiet dürften etwas über ein Dutzend solcher oppida bestanden haben. Vermutlich bestand jeder einzelne Stamm wenigstens ein grösseres oppidum. Bei der Wahl der Formen griff man gerne auf die hellenistische Städtebautradition zurück. Die vielen archäologisch erschlossenen Keltensiedlungen entziehen sich jedoch des öfteren einer genauen Interpretation. Zum einen gab es echte, dicht besiedelte Städte, zum anderen existierten ummauerte Grosszentren mit wenigen Siedlungsresten, manchmal nur mit Wirtschaftsspuren versehen und vielfach ohne besondere Nutzungsformen. Über die Verwendungszwecke (Viehgatter, Fluchtburgen, Obstmärkte, etc.) kann nur spekuliert werden.

Ab dem 2.Jh.v.Chr. erreichten die keltischen Ansiedlungen nördlich des Alpengebietes teilweise gigantomanische (= grössenwahnsinnige) Ausmasse. Beispiele wären die oppidia von Manching (südl. von Ingolstadt) und bei Kelheim an der Donau. Ersteres erreichte eine Grösse, die Rom erst zur Zeitenwende erreichen sollte. Sieben Kilometer Mauer schützten ein Stadtgebiet von 3,8 km² mit eigenen Vierteln für Handwerksbetrieben in Manufakturgrösse. Man geht davon aus, dass es sich hierbei um die Hauptstadt der Vindelicer gehandelt hat.

Nicht wenige Adelsfamilien waren zu Reichtum gekommen und nutzten diesen um zahlreiche Güter aus dem Mittelmeerraum zu importieren. Die Römer ihrerseits beeinflussten durch den Handel mit Luxuswaren die innere Politik der Kelten. Die einheimische Industrie konnte damals Waren (vor allem auf dem Glassektor) produzieren, die vergleichbaren römischen Produkten um Kategorien überlegen waren.

Schon zu Zeiten seines gallischen Krieges konnte Caesar erstaunt feststellen, dass die grossen oppida allesamt verlassen worden waren. Auf dem Land hatte sich hingegen nichts verändert. Die Siedlungen waren - wie archäologische Ausgrabungen zeigten - friedlich verlassen worden. Über die Gründe kann nur gerätselt werden, da auch die römischen Historiker dazu nichts überliefert haben.

Grundsätzlich geht man heute davon aus, dass die Kelten von zwei Seiten in die Mangel genommen wurden. Von Norden rückten die Germanen vor und Gallien hatte Caesar für Rom in Besitz genommen. Die Handelsmöglichkeiten zwischen den beiden geografischen Räumen hatten sich verringert und die Bewohner der Siedlungen sahen sich gezwungen abzuwandern. Ein weiteres Problem könnte in der Grösse ihrer Siedlungen bestanden haben. Bei dem Versuch mediterrane Verhältnisse nachzuahmen und wahrscheinlich noch zu übertreffen, dürften die Kelten an der Bewältigung von Problemen (z.B. Wasserversorgung, Abfallentsorgung, Seuchen, etc.) gescheitert sein, für die ihnen einfach die Erfahrung fehlte.

Die Raeter kurz vor der römischen Eroberung waren eine aus zahlreichen Einzelstämmen zusammengesetzte Völkergruppe, die in den Zentralalpen siedelte. Ihr hauptsächliches Verbreitungsgebiet waren die südlichen Alpentäler vom Piavetal bis zum Comber See, Südtirol und Graubünden. Ende der Bronzezeit drangen sie das Rheintal bis zum Bodensee hinauf und begründeten die Melaunerkultur. Ob die Stämme in Nordtirol ebenfalls den Raetern zugerechnet werden können ist unsicher; die antiken Quellen trennten sie jedenfalls. Die gemeinsame Sprache ist durch wenige Inschriften in nordetruskischen Alphabeten gesichert. Es handelte sich um mediterran-vorindogermanische Dialekte.

Die Idee der Bezwingung der Alpenvölker und die Eroberung des darüber hinaus gehenden - jedoch kulturell verbundenen - Landes fusste in den ständigen Raubzügen in Gallien und Ostitalien. Damit war das italische Kernland bis zu diesem Zeitpunkt nicht durch die sich anbietende natürliche Alpenbarriere von Norden her geschützt. Ein Sieg des Munatius Plancus in den Jahren 44/43 v.Chr. hatte an der unsicheren Situation nichts geändert. Deshalb wurden 16 v.Chr. die Stämme der Camunner und Vennonen von P. Silius, dem Statthalter von Illyricum, bekriegt.

Diesem Auftakt folgte der Sommerfeldzuges des Jahres 15 v.Chr. Augustus’ Stiefsohn Drusus zog als erster gegen die Raeter und schlug eine gegen ihn gesandte Streitmacht in den Tridentiner Bergen in die Flucht. Sein Heer war über den Brennerpass und flankierend über den Reschenpass in das feindliche Gebiet vorgedrungen. Tiberius eroberte parallel das Gebiet weiter westlich und erreichte über Julier/Septimer - Lenzerhaide und das Rheintal den Bodensee, wo sich das Gebiet der Vindelicer befand. Der junge Thronfolger bezwang den Gegner unter anderem in einer Seeschlacht, wobei eine der Inseln im Bodensee als Stützpunkt diente. Als einzige Legion der Invasionsstreitmacht ist die legio XIX durch den Fund eines Geschossbolzens bei Oberammergau archäologisch gesichert.

Der Zangenbewegung von zwei Armeeverbänden, der überlegenen Militärtechnik und der Ausdauer des römischen Heeres hatten die eingeborenen Stämme schlussendlich nichts mehr entgegenzusetzen. Der Rest des Feldzuges wurde mit der Bekämpfung von versprengten Gegnern verbracht. Das Operationsgebiet reichte dabei bis in die Gegend von Augsburg. Die hohen Verluste der Raeter in den Kämpfen hatten das ihre zur Niederlage beigetragen.

In Rom wurden Drusus und Tiberius als Bezwinger der rätischen Burgen mit Triumphen gefeiert. Im Gegensatz zum benachbarten Noricum wurde Raetien unter Verlusten und mit grossem Blutzoll auf beiden Seiten erobert.

Tiberius war im Auftrag Augustus' massgeblich an der Eroberung des raetischen Gebietes beteiligt.



 

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(PL)