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Provinz
Noricum
Verwaltung & Entwicklung Nach dem Eindringen der Römer
wurde das Regnum Noricum nicht sofort in eine neue Provinz
verwandelt. Wie im linksrheinischen Germanien verblieb das Gebiet im
Okkupationszustand. Leider ist es nicht überliefert, ob ein Vertreter
des pannonischen Militärkommandos oder ein einheimischer Vasallenfürst
das Gebiet in jener Zeit verwaltete. Mit Sicherheit kann die Siedlung
auf dem Magdalensberg - deren Name uns nicht überliefert ist - als
das Verwaltungszentrum angenommen werden. Diese Stadt war seit dem 1.
Jh. v.Chr. das Zentrum des römischen Handels in Noricum. In
unmittelbarer Nähe zu dieser Siedlung stampften die Römer auf dem
Zollfeld eine neue Siedlung mit Namen Virunum aus dem Boden.
Nach und nach übernahm diese Stadt die Rolle als
Verwaltungsmittelpunkt der durch Kaiser Claudius
neu errichteten Provinz. Aus Noricum ist lediglich eine
einzige civitas (staatsrechtlich selbständige Siedlung mit
verschiedenen Rechten und Pflichten ausserhalb des römischen
Staatsverbandes) bekannt. Aus der civitas Saevatium et Laiancorum
dürfte die Stadt Aguntum hervorgegangen sein. Der
Urbanisierungsprozess generell schritt stetig voran, dauert aber bis
in die 2. Hälfte des 2.Jh.n.Chr. Mit der Verleihung des
Provinzialstatutes wurden auch fünf Siedlungen zu Städten erhoben.
Dies waren Aguntum, Celeia, Teurnia, Iuvavum
und natürlich Virunum. Unter Vespasian
kam noch Flavia Solva und unter Hadrian
Aelium Cetium sowie Ovilavis hinzu. Letzteres
wurde von Caracalla
im 2. Jahrzehnt des 3.Jh.n.Chr. in den Rang einer Kolonie erhoben. Er
war es auch, der schliesslich der Zivilsiedlung von Lauriacum
das Munizipalrecht verlieh. Als Statthalter kamen
kaiserliche Beamte aus dem Ritterstand mit der Bezeichnung procurator
Augustorum provinciae Noricae zum Zug. Diese gehörten der
Rangklasse der ducenarii (= 200.000 Sesterzen Gehalt pro Jahr)
an. Zu dieser Zeit waren in Noricum keine Legionstruppen stationiert.
Der Statthalter als Oberbefehlshaber verfügte so nur über das
Kommando von Auxiliareinheiten, die mit Sicherheit auch norische
Kavallerie umfasste. Da Virunum von der Nordgrenze zu weit
abgelegen war, dürfte in dieser Zeit auch schon Ovilavis als
Militär- und Verwaltungszentrum Bedeutung gehabt haben. Es sind die
Namen von 21 norischen Prokuratoren überliefert:
Ein Inhaber einer nicht überlieferten
Prokuratur, der jedoch aus dem norischen Flavia Solva stammte
und hier seinen Lebensabend verbrachte, war L. Cammius Secundinus, der Ende des 1./Anfang
des 2.Jh.n.Chr. seinen Dienst irgendwo im Reich versehen hatte. Zur
Durchführung seiner Verwaltungsaufgaben stand dem Statthalter eine
eigene Kanzlei, das officium,
zur Verfügung. Vom Umfang her kann eine ähnliche Grössenordnung
wie die des Prokurators von Raetien angenommen werden, dessen Kanzlei
über etwa 100 officales
verfügte. Bei den Bediensteten treten Name und Titel des jeweils
amtierenden Statthalters zum jeweiligen Dienstgrad des officialis
hinzu. So können die meisten überlieferten Namen dem jeweiligen
Prokurator zugeordnet werden. Das
Personal rekrutierte sich aus zwei Quellen. Einerseits wurden sie dem
norischen exercitus (einheimische Truppenkontingente)
entnommen, andererseits bediente man sich (was allerdings für Noricum
nicht schriftlich belegt ist) der nächsten Truppeneinheiten, was in
diesem Fall die pannonischen Legionen waren. Von den zahlreichen
Positionen des officium sind
für Noricum leider nur 2 Ämter überliefert; das des beneficiarius
(Unteroffizier im Kanzlei- und Gendarmeriedienst) und das des eques
singularis (Leibwache & berittene Ordonanz). Im Bürgerkrieg von 69 n.Chr. ergriff die Provinz zunächst Partei für Otho; nach dessen Ermordung für Vespasian. Mit den Markomannenkriegen Marc Aurels änderte sich der Verwaltungsstatus. Bis zu diesem Zeitpunkt war Noricum eine provincia inermis (Provinz ohne Legionsbesatzung) gewesen. Die ritterlichen
Prokuratoren wurden nun durch einen dem Senatorenstand entstammenden Legat
der legio II Italica ersetzt. Diese übernahmen in Provinzen
mit nur einer Legion Besatzung immer auch die Agenden des
Statthalters. Die offizielle Amtsbezeichnung lautete nun legatus
Augustorum (bzw. Augusti) pro praetore provinicae Noricae.
Es wurden die Namen von acht derartigen Legaten überliefert:
C. Memmius Fidus Iulius Albius (190/91) Da der Titel des erstgenannten Legaten nur die legio II Italica erwähnt, nicht jedoch die Provinz, ist eher von einer theoretischen Statthalterschaft und die Teilnahme an einem Feldzug auszugehen. Wie
den Präsidialprokuratoren standen auch den Legaten der legio II Italica ein officium
im Umfang von etwa 100 Beamten zur Verfügung. Die Zuordnung eines
Beamten zur Kanzlei des Legaten ergibt sich aus der Bezeichnung consularis mit oder ohne Zusatz legionis
II Italicae. Die unter den Legaten diensttuenden Beamten sind von
ihrer Aufgabenvereilung besser überliefert. So gibt es neben dem
Benefiziarier und dem Eques
singularis, den Cornicularius (zuständig für
Personallisten & innere Organisation), den Frumentarius
(Getreideverwalter, zugleich Nachrichtendienst & bei der
Strafrechtspflege), den Strator
(verantwortlich für die Pferde), den Librarius (Schreiber, Kopist) und den Immunis
(Gefreiter). Die Finanzverwaltung wurde von
den Befugnissen des Legats auf einen eigenen sexagenaren (= 60.000
Sesterzen Gehalt pro Jahr) Finanzprokurator übertragen und der Sitz
der Zentralverwaltung war nicht mehr Virunum, sondern der
Legionsstandort Lauriacum. Die Hauptaufgabe bestand in der Verwaltung der
kaiserlichen Kasse, sowie in der Überwachung des Steueraufkommens und
der Geldauszahlungen. Sie konnten sich auch einer eigenen Kanzlei, dem
tabularium, bedienen. Es
sind zwei Finanzprokuratoren überliefert. Davon leider nur einer
namentlich: M. Porcius Verus
in der 2.Hälfte des 3.Jh.n.Chr. Der
Finanzprokuratur standen zahlreiche untergeordnete Beamte zur Verfügung.
Für Noricum überliefert sind die Funktionen als arcarius
(Kassenverwalter), dispensator (Schatzmeister) und tabularius
(Kassier, Rechnungsführer). Benefiziarier standen dem Prokurator
ebenfalls zur Verfügung, sind jedoch nicht überliefert worden. Als Distriktsbeamter der XX
libertatis (= 5%ige Freilassungssteuer) ist L. Aurelius Augg. lib.
Buranus namentlich bekannt, der im 2.Jh.n.Chr. amtierte. Bei Einrichtung einer neuen Provinz erfolgte zudem
regelmässig ein Zensus. Darunter ist die Feststellung und urkundliche
Aufzeichnung der Zahl und es Personalstandes der Menschen, sowie ihres
beweglichen und unbeweglichen Eigentums zu verstehen. In weiterer
Folge fand der kaiserliche Zensus nur mehr in unregelmässigen Abständen
statt. Der Kommunalzensus, bei dem lediglich die Steuerlisten der Städte
aktualisiert wurden, fand alle 5 Jahre statt. Von den in Noricum
Dienst versehenden Zensusbeamten ist mit Aelius
Aelianus aus der 2. Hälfte des 3.Jh.n.Chr. nur ein
ritterlicher censitor überliefert. Ein Teil der Ämter wurde auch
von der Stadt Ovilavis (Wels) ausgeübt. Das in der Nähe
gelegene Lauriacum wurde 212 zum Munizipium. Damit wurde der
Wichtigkeit als Festung und Donauhafen für die pannonische Flotte
Rechnung getragen. 171 verwüsteten die Markomannen, Naristen und Quaden die Provinz. Iuvavum (Salzburg), Cetium (St. Pölten) und Ovilavis (Wels) werden schwer in Mitleidenschaft gezogen. Von den grossen Städten bleibt wie durch ein Wunder nur die Hauptstadt Virunum (Stadt auf dem Zollfeld) verschont. Irgendwann in den Jahren von 196
bis 199 übte der Senator Ti. Claudius Candidus mit
dem dux adversus
rebelles hostes publicos provinciae Noricae ein militärisches
Sonderkommando in Noricum aus. Da er vermutlich während der
Thronwirren bei Regierungsantritt von Septimius
Severus den Gegenkandidaten Clodius Albinus unterstützte (genauso
wie die Bevölkerung und im
Gegensatz zu seiner Legion), wurde er hingerichtet. Der Kaiser stellte
sein Andenken aber nach 205 wieder her. Eine Änderung der kaiserlichen
Politik führte wiederum zu Veränderungen in den Provinzen. Kaiser Gallienus
entfernte im Zuge seiner Militär- und Verwaltungsreform die
senatorische Führungsschicht aus den Legionen und die neuen, dem
Ritterstand entstammenden Statthalter hiessen agentes vices
praesidis und waren eigentlich nur Vertreter der senatorischen praesides
(Legaten). Die drei namentlich bekannten Beamten führten das Rangprädikat
vir perfectissimus:
Aelius Restutus (letztes Drittel 3.Jh.) Die Reichsreform Diocletians führte
zur Teilung der Provinz Noricum entlang des Tauernkamms. Der nördliche
Teil hiess Noricum ripense (Ufernoricum) der südliche Noricum
mediterraneum (Binnennoricum). Letzterer erhielt im Südosten eine
Gebietserweiterung, indem das bislang pannonische Poetovio (Ptuj/Drau)
Binnennoricum zufiel. Wie Pannonien gehört Noricum nun zur Dioezese
Illyrien mit dem Verwaltungszentrum Sirmium (Mitrowitz). Die Zivilverwaltung der beiden
verkleinerten Provinzen wurde von dem Ritterstand zugehörigen praesides
mit dem Rangprädikat vir perfectissimus erledigt. Als
Verwaltungszentren fungierten für Binnennoricum Virunum, für
Ufernoricum Ovilavis. Organisatorisch gehörten die norischen
Provinzen zur Diözese Illyricum unter dem vicarius Illyrici,
die wiederum zu der grossen Präfektur Italia unter dem praefectus
praetorio Italiae gehörte.
Septimius S? (unter Maximianus,
zw. 285 und 310)
In Ufernoricum sieht die Lage dürftiger aus. Lediglich Aquilinus, der am 4.Mai 304 das Urteil über den heiligen Florianus fällte, ist bekannt. Die Zusammensetzung der Kanzleibeamten stellt sich wie folgt dar: Principem ex eodem officia (Kanzleileiter), Cornicularium (Personallisten & Organisation), Tabularios duos (Rechnungsführer), Commentariensem (Protokollführer & verantwortlich für die Durchführung von Urteilen), Adiutorem (Gehilfe), Ab actis (Archivar), Subadiuvam (Hilfsdienst), Exceptores et reliquos cohortalinos (kurzschriftfähige Schreiber). Die Stärke der Mannschaft dürfte ebenfalls bei etwa 100 gelegen haben. Als einziger officialis ist Florianus namentlich überliefert, der 304 als ex principe officii praesidis in Lauriacum arbeitete. 341
besuchte Kaiser Constantius
II. Lauriacum und 378 visitierte Gratianus die Stadt. Kurz darauf (um 400) wurden zahlreiche
Siedlungen, wie z.B. Aelium Cetium, von der Bevölkerung
verlassen. In Binnennoricum war Virunum seit längerem
aufgegeben worden. Die Reste der spätrömischen Verwaltung von
Noricum waren nach Teurnia verlegt worden. Trotzdem hielten
sich in manchen Gegenden einige alte römische Villen, die nun
befestigt worden waren, und führten die Reste römischer Zivilisation
weiter. Der Zusammenbruch des Weströmischen
Reiches hatte schliesslich auch für Noricum direkte Auswirkungen. Da
sich das ebene Gebiet schlecht verteidigen liess, wurde Ufernoricum im
Jahre 488 endgültig durch einen Sonderbeauftragten Odoakers geräumt.
Die meisten Romanen zogen sich nach Italien zurück und viele Bauern
schlossen sich den durchziehenden Völkerschaften an. |
Claudius Paternus Clementianus war um 125 Statthalter von Noricum.
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